25.06.2015

Steuerfreiheit von Stipendien nach § 3 Nr. 44 EStG 2009

Stipendien für an einer Hochschule beschäftigte Wissenschaftler zur Erfüllung einer Forschungsaufgabe oder zur Bestreitung des Lebensunterhalts sind nach § 3 Nr. 44 S. 3 Buchst. a EStG 2009 grundsätzlich steuerfrei, wenn sie die zuvor aus einem Beschäftigungsverhältnis bezogenen Einnahmen nicht übersteigen, nach den von dem Geber erlassenen Richtlinien vergeben werden und der Empfänger im Zusammenhang mit dem Stipendium nicht zu einer bestimmten wissenschaftlichen oder künstlerischen Gegenleistung oder zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet ist.

BFH 24.2.2015, VIII R 43/12
Der Sachverhalt:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Einnahmen der Klägerin aus einem Forschungsstipendium eines Kollegs steuerfrei sind. Das Kolleg wird von einer gemeinnützigen Stiftung des bürgerlichen Rechts getragen. Die Klägerin war als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Juristischen Fakultät einer Universität tätig und habilitierte sich dort. Auf ihre Bewerbung gewährte ihr die Stiftung ein Forschungsstipendium des Kollegs im Rahmen eines bestimmten Projekts in den Jahren 2009 und 2010.

Die auf der Grundlage dieses Stipendiums geleisteten Zahlungen beliefen sich auf 2.700 € pro Monat, im Streitjahr 2009 mithin auf insgesamt 8.100 €. Zusätzlich erhielt die Klägerin in 2009 eine Pauschale für Dienstreisen i.H.v. 400 €. Das Kolleg stellte der Klägerin 2010 für das Streitjahr 2009 eine Bescheinigung über den Erhalt dieser Leistungen sowie des Sachbezugs durch die kostenlose Unterbringung i.H.v. rd. 660 € aus. Die Klägerin erhielt von der Universität für die Dauer des Stipendiums Sonderurlaub ohne Fortzahlung der Bezüge.

Das Finanzamt erfasste die Einnahmen der Klägerin aus dem Stipendium mit Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 27.12.2010 als steuerpflichtige sonstige Einkünfte - nach Abzug unstreitiger Werbungskosten von rd. 2.000 € - i.H.v. rd. 7.000 € und setzte die Einkommensteuer auf rd. 6.000 € fest.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück.

Die Gründe:
Das FG hat der Regelung in § 3 Nr. 44 S. 3 Buchst. a EStG zu Unrecht entnommen, dass ein steuerbefreites Stipendium im Sinne der Vorschrift schon dann nicht mehr gegeben ist, wenn es nahezu der Höhe der vor Aufnahme der geförderten Tätigkeit bezogenen Einnahmen aus wissenschaftlicher Tätigkeit entspricht.

Nach § 3 Nr. 44 EStG sind Stipendien steuerfrei, die unmittelbar aus öffentlichen Mitteln oder von zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtungen, denen Deutschland als Mitglied angehört, zur Förderung der Forschung oder zur Förderung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Ausbildung oder Fortbildung gewährt werden. Das Gleiche gilt für Stipendien, die zu den in Satz 1 bezeichneten Zwecken von einer Einrichtung, die von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet ist oder verwaltet wird, oder von einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG gegeben werden.

Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist, dass die Stipendien einen für die Erfüllung der Forschungsaufgabe oder für die Bestreitung des Lebensunterhalts und die Deckung des Ausbildungsbedarfs erforderlichen Betrag nicht übersteigen, nach den von dem Geber erlassenen Richtlinien vergeben werden und der Empfänger im Zusammenhang mit dem Stipendium nicht zu einer bestimmten wissenschaftlichen oder künstlerischen Gegenleistung oder zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet ist. Vorliegend ist lediglich streitig, ob das Stipendium nicht nach Maßgabe der Regelung in § 2 Nr. 44 S. 3 Buchst. a EStG den "für die Bestreitung des Lebensunterhalts erforderlichen Betrag übersteigt".

Dem Gesetz selbst sind weitere Merkmale für eine Begrenzung dieses Betrages nicht zu entnehmen. § 3 Nr. 44 S. 3 Buchst. a EStG soll lediglich sicherstellen, dass "Stipendien nur in der Höhe steuerfrei bleiben, die zur Erreichung des mit dem Stipendium verfolgten Zwecks erforderlich ist". Diese Erforderlichkeit "zur Erreichung des mit dem Stipendium verfolgten Zwecks" ist nach dem BFH-Urteil vom 15.9.2010 (X R 33/08) schon dann zu bejahen, wenn die Vergabe des Stipendiums nach den Richtlinien für die Vergabe der Stipendien i.S. des § 3 Nr. 44 S. 1 und 2 EStG erfolgt, die Höhe des Stipendiums nicht den für die Erfüllung der Forschungsaufgabe sowie für die Bestreitung des Lebensunterhalts der Klägerin erforderlichen Betrag überschreitet und die Klägerin sich nicht zu einer bestimmten Gegenleistung verpflichtet.

Nach diesen Grundsätzen tragen die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht seine Auffassung, im Streitfall überschreite das Stipendium den Rahmen der erforderlichen Aufwendungen für den Lebensunterhalt der Klägerin. Auszugehen ist von der Notwendigkeit, bei der Bestimmung des "erforderlichen Lebensunterhalts" das Alter der Stipendiaten, ihre akademische Vorbildung sowie deren nach der Verkehrsauffassung erforderliche typische Lebenshaltungskosten in ihrer konkreten sozialen Situation zu berücksichtigen. Damit steht fest, dass das von der Klägerin im Streitjahr 2009 bezogene Stipendium als Beitrag für die angemessene Lebensführung zur Förderung der Forschung durch eine gemeinnützige Stiftung bewilligt wurde und der Höhe nach lediglich den Ausfall ihrer früheren Gehaltszahlungen im Bewilligungszeitraum des Stipendiums ausgleichen sollte.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
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