21.06.2012

Teileinspruchsentscheidungen können sich auch nur auf unstreitige Teile beziehen

Eine Teileinspruchsentscheidung kann sich auch nur auf unstreitige Teile eines Bescheids beziehen. Die Sachdienlichkeit der Teileinspruchsentscheidung wird auch nicht dadurch beeinträchtigt, dass sie eine "Waffengleichheit" zwischen der Finanzbehörde und dem Steuerpflichtigen - der seinerseits keinen Teileinspruch einlegen kann - störte.

BFH 14.3.2012, X R 50/09
Der Sachverhalt:
Die Kläger sind zusammen veranlagte Eheleute und hatten in ihrer Steuererklärung u.a. Sonderausgaben für Vorsorgeaufwendungen i.H.v. insgesamt 30.841 € geltend gemacht. Das Finanzamt erkannte Sonderausgaben nur i.H.v. 10.138 € an. Der Bescheid erging nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und war gem. § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO wegen verschiedener Punkte vorläufig.

Die Kläger legten mittels eines Formulartexts Einspruch hinsichtlich der Abziehbarkeit von Rentenbeiträgen als Werbungskosten und der Nichtabziehbarkeit privater Steuerberatungskosten als Sonderausgaben ein. Soweit einzelne Fragen bereits durch Vorläufigkeitsvermerke erfasst seien, richte sich der Einspruch gegen die nicht von den Vorläufigkeitsvermerken erfassten Rechtsfragen. Das Finanzamt erließ unter Bezugnahme auf § 367 Abs. 2a AO eine Teileinspruchsentscheidung, mit der der Einspruch, soweit hierdurch über ihn entschieden wurde, als unbegründet zurückgewiesen wurde. Über weitere Teile des Einspruchs entschied die Behörde hingegen ausdrücklich nicht.

Das Finanzamt erläuterte dazu, das Verfahren ruhe hinsichtlich der Beiträge zur Rentenversicherung nach § 363 Abs. 2 S. 2 AO im Hinblick auf ein Verfahren vor dem BFH, hinsichtlich der privaten Steuerberatungskosten nach § 363 Abs. 2 S. 1 AO im Hinblick auf mehrere bei FG anhängigen Verfahren. Die Kläger waren der Ansicht, die Teileinspruchsentscheidung sei nicht sachdienlich gewesen. Das einzige Ergebnis der Teileinspruchsentscheidung bestehe darin, aus einem Verfahren zwei zu machen. Das führe zu zusätzlichen Verfahrensfragen, Rechtsunsicherheiten und Abgrenzungsfragen und nicht zu einer Straffung des Verfahrens.

Das FG wies die Klage ab. Die Revision der Kläger blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Die Teileinspruchsentscheidung war formell und materiell rechtmäßig.

Es ist verfahrensrechtlich grundsätzlich zulässig, über den Einspruch nur insoweit zu entscheiden, als er sich auf nicht ausdrücklich benannte Streitpunkte bezieht. Die aus § 367 Abs. 2 S. 1 AO folgende Verpflichtung des Finanzamtes zur Überprüfung der Sache in vollem Umfang steht dem nicht entgegen. Ob die Steuerbehörde ihr nachgekommen ist, ist eine Frage des Einzelfalls und ggf. im finanzgerichtlichen Verfahren zu prüfen. Es ist allerdings keine Rechtsgrundlage dafür erkennbar, dass das Finanzamt Inhalt und Umfang dieser Prüfung im Rahmen der Einspruchsentscheidung darstellen müsste.

Auch sonstige verfahrensrechtliche Hindernisse für die Entscheidung über den unbenannten Teil des Einspruchs bestanden im vorliegenden Fall nicht. Insbesondere war das Finanzamt nicht verpflichtet, die Kläger vorher anzuhören. Eine derartige Anhörungspflicht ist nicht aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes herzuleiten.

Die Teileinspruchsentscheidung war zudem sachdienlich i.S.v. § 367 Abs. 2a S. 1 AO. Das Gesetz definiert den Begriff der Sachdienlichkeit nicht. Sie ist daher an den Voraussetzungen und Wirkungen der Teileinspruchsentscheidung zu messen. Soweit ein Einspruch entscheidungsreif ist, sollte über ihn auch entschieden werden. Andernfalls träte insoweit eine Verfahrensverzögerung ein, die ihrerseits eines sachlichen Grundes bedürfte. Das bedeutet, dass bei teilweiser Entscheidungsreife eines Einspruchs eine Teileinspruchsentscheidung im Allgemeinen sachdienlich ist, soweit keine besonderen Umstände entgegenstehen. Daraus folgt, dass im Allgemeinen eine Teileinspruchsentscheidung auch unbenannte Streitpunkte zu erfassen hat.

Die Sachdienlichkeit der Teileinspruchsentscheidung wird auch nicht dadurch beeinträchtigt, dass sie eine "Waffengleichheit" zwischen der Finanzbehörde und dem Steuerpflichtigen - der seinerseits keinen Teileinspruch einlegen kann - störte. Es war auch kein Grund erkennbar, an die Bestimmung der Reichweite einer Teileinspruchsentscheidung strengere Anforderungen zu stellen als an einen Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 AO, der ebenfalls eine partielle Änderung eines im Übrigen bestandskräftig gewordenen Bescheids ermöglicht.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu gelangen, klicken Sie bitte hier.
BFH online
Zurück