27.06.2011

Treppenschräglift im Garten des Wohngrundstücks eines stark Gehbehinderten steuerlich absetzbar

Die Aufwendungen eines erheblich gehbehinderten Steuerpflichtigen für den Erwerb und die Montage eines Treppenschräglifts im Garten des Wohngrundstücks sind als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig. Die Nutzung des Gartens ist kein entbehrlicher Luxus, sondern sozialadäquat.

FG Baden-Württemberg 6.4.2011, 4 K 2647/08
Der Sachverhalt:
Streitig ist, ob Aufwendungen der Klägerin für die Installation eines Treppenschräglifts im Garten ihres Wohngrundstücks als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind. Die Klägerin ist aufgrund einer außergewöhnlichen Gehbehinderung zu 90 Prozent schwerbehindert (Merkzeichen G und aG) und bewohnt seit ihrer Kindheit ein Wohnhaus auf einem Hanggrundstück mit Garten.

Im März 2007 reichte die Klägerin beim Finanzamt ihre Einkommensteuer-Erklärung für das Jahr 2005 ein. Darin begehrte sie u.a. den Abzug von außergewöhnlichen Belastungen i.H.v rd. 63.000 € hinsichtlich der Kosten für Erwerb und Montage des Treppenlifts. Das Finanzamt erkannte nur einen kleinen Teil der Kosten an, der sich aber nach Abzug der nach dem individuellen Einkommen bemessenen zumutbaren Belastung steuerlich nicht auswirkte.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision zum BFH wurde zugelassen.

Die Gründe:
Die Kosten für Erwerb und Montages des Treppenlifts sind - nach Abzug der zumutbaren Belastung - sofort in voller Höhe als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig.

In Abgrenzung zur bisherigen Rechtsprechung bzgl. des behinderungsbedingten Einbaus von Personenaufzügen sowie behinderungsbedingter sonstiger Umbaumaßnahmen, bei denen bislang im Wesentlichen wegen Verneinung einer Belastung aufgrund der Erlangung eines Gegenwerts bzw. wegen Verneinung der Zwangsläufigkeit keine Abzugsfähigkeit der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen anerkannt wurde, sind Treppenschräglifte nicht als Bestandteil des jeweiligen Gebäudes anzusehen. Vielmehr handelt es sich bei dem Treppenschräglift um ein medizinisches Hilfsmittel, dessen Nutzung durch die Klägerin für das Treppensteigen angesichts ihrer außergewöhnlichen Gehbehinderung unzweifelhaft erforderlich ist.

Dabei ist es unbeachtlich, dass der Lift nicht im Wohnhaus, sondern im dazugehörigen Garten eingebaut wurde. Der Argumentation des Finanzamts, es sei eine Abgrenzung vorzunehmen zwischen Treppenschrägliften, die innerhalb eines Wohnhauses, und solchen, die außerhalb eines Wohnhauses angebracht würden, war nicht zu folgen. Die Nutzung des Gartens ist kein entbehrlicher Luxus, sondern sozialadäquat. Man kann von der Klägerin weder verlangen, von dem seit ihrer Kindheit bewohnten Hanggrundstück wegzuziehen, noch den Garten nicht mehr zu nutzen.

Bei einem solchen zwangsläufig erworbenen medizinischen Hilfsmittel ist ein eventuell erlangter Gegenwert nicht zu berücksichtigen. Denn der behinderungsbedingte Mehraufwand der Klägerin steht so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit, dass die Erlangung eines etwaigen Gegenwerts in Anbetracht der Gesamtumstände in den Hintergrund tritt. Behinderungsbedingte notwendige Maßnahmen begründen keinen über den individuellen Nutzungsvorteil hinausgehenden Gegenwert, sondern eine aus tatsächlichen Gründen zwangsläufige Mehrbelastung des Steuerpflichtigen.

Linkhinweis:

FG Baden-Württemberg PM vom 9.6.2011
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