12.03.2015

Überlassung möblierter Zimmer zur Prostitution nicht umsatzsteuerfrei

Umsatzsteuerfreie Vermietungsleistungen liegen nicht vor, wenn nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse die Überlassung des Grundstücks oder Grundstücksteiles zum Gebrauch von anderen wesentlicheren Leistungen überdeckt wird. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn Unterkünfte an Prostituierte vermietet werden und nicht die Grundstücksnutzung, sondern die Möglichkeit, die Prostitution auszuüben, aus der Sicht des Leistungsempfängers im Vordergrund steht.

BFH 17.12.2014, XI R 16/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte im Streitjahr 1998 möblierte Zimmer an Prostituierte vermietet. Die Zimmer wurden ausschließlich einzeln genutzt. Die Prostituierten hatten dort ihre persönlichen Sachen und zum Teil eigene kleinere Möbel untergebracht. Die Zimmer waren mit einem Alarmknopf und einer Gegensprechanlage ausgestattet. Zur Straßenseite verfügten die Häuser über mit einem Schaufenster versehene sog. "Kober", die von allen Prostituierten genutzt wurden, um mit potentiellen Freiern Kontakt aufzunehmen. Außerdem war eine Gemeinschaftsküche mit Fernsehgerät vorhanden sowie ein EC-Cash-Automat.

Die Verträge wurden mündlich und unbefristet abgeschlossen. Für den Fall, dass eine Prostituierte krank wurde, minderte sich die Miete; bei längerer Abwesenheit wurde die Mietzinsverpflichtung ausgesetzt. Daneben mussten die Prostituierten einen täglichen Beitrag für die "Nachtwache" sowie eine wöchentliche Pauschale für Licht und Papier entrichten. Die Klägerin stellte ihnen und den Freiern gegen Entgelt Getränke zur Verfügung. Das Offenhalten der Häuser erfolgte ausschließlich durch die Prostituierten selbst und nicht durch die Klägerin.

Die Klägerin behandelte die gegenüber den Prostituierten ausgeführten Umsätze zunächst als umsatzsteuerpflichtig. Später reichte sie eine berichtigte Steuererklärung ein, in der sie die Umsätze nunmehr als steuerfrei behandelte. Das Finanzamt ging dagegen weiter von der Steuerpflicht der Umsätze aus. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision der Klägerin blieb vor dem BFH erfolglos.

Gründe:
Das FG war zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei den streitigen Leistungen der Klägerin nicht um steuerfreie Vermietungsleistungen i.S.v. § 4 Nr. 12 S. 1a UStG handelte.

Ob eine Vermietungstätigkeit vorliegt, richtet sich umsatzsteuerrechtlich aufgrund richtlinienkonformer Auslegung nicht nach den Vorschriften des nationalen Zivilrechts, sondern nach dem Unionsrecht. Der Begriff "Vermietung von Grundstücken" i.S.v. § 4 Nr. 12 S. 1a UStG und Art. 13 Teil B Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG ist eng auszulegen, da diese Bestimmungen eine Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz vorsehen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt.

Steuerfreie Vermietungsleistungen liegen demnach nicht vor, wenn nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse die Überlassung des Grundstücks oder Grundstücksteiles zum Gebrauch von anderen wesentlicheren Leistungen überdeckt wird. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn Unterkünfte an Prostituierte vermietet werden und nicht die Grundstücksnutzung, sondern die Möglichkeit, die Prostitution auszuüben, aus der Sicht des Leistungsempfängers im Vordergrund steht.

Auch das FG war von diesen Grundsätzen ausgegangen. Zwar rügte die Klägerin zu Recht, dass - entgegen der Auffassung des FG - in "der dauerhaften Wohnsitznahme der Prostituierten" keine wesentliche Voraussetzung für eine steuerfreie Vermietungsleistung i.S.v. § 4 Nr. 12 S. 1a UStG liegt. Im Anwendungsbereich dieser Steuerbefreiung kommt es nämlich nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht darauf an, ob die Prostituierten in dem Objekt ihren Wohnsitz hatten. Dies verhalf der Revision dennoch nicht zum Erfolg. Denn die Steuerpflicht der von der Klägerin erbrachten Leistungen ergab sich bereits aus der tatsächlichen Würdigung des FG, dass die von der Klägerin neben der Überlassung der Räume erbrachten Leistungen "der Gesamtleistung der Klägerin ein anderes Gepräge geben als ein reines Mietverhältnis". Außerdem konnten die Verträge von beiden Seiten "von einem Tag auf den anderen" gekündigt werden.

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