05.02.2014

Umsatzsteuer: Einschränkung der Pflicht zur Vorfinanzierung

Soweit ein der Sollbesteuerung unterliegendes Unternehmen seinen Entgeltanspruch aufgrund eines vertraglichen Einbehalts zur Absicherung von Gewährleistungsansprüchen über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren nicht verwirklichen kann, ist es bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung zur Steuerberichtigung berechtigt. Es ist mehr nicht verpflichtet, Umsatzsteuer über mehrere Jahre vorzufinanzieren.

BFH 24.10.2013, V R 31/12
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG und betreibt ein Bauunternehmen. In ihrer für das Streitjahr 2007 abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärung berücksichtigte sie sog. Sicherheitseinbehalte für mögliche Baumängel nicht als bereits bei der Leistungserbringung zu versteuerndes Entgelt. Für die Leistungen bestanden Gewährleistungsfristen von zwei bis fünf Jahren. Die Kunden waren vertraglich bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist zu einem Sicherungseinbehalt von fünf bis zehn Prozent der Vergütung berechtigt.

Der Kläger hätte den Einbehalt nur durch Bankbürgschaft abwenden können, war aber nicht in der Lage, entsprechende Bürgschaften beizubringen. Das Finanzamt und das FG sahen die Klägerin im Rahmen der Sollbesteuerung als verpflichtet an, seine Leistung auch im Umfang des Sicherungseinbehalts zu versteuern. Eine Uneinbringlichkeit liege entsprechend bisheriger Rechtsprechung nicht vor, da die Kunden keine Mängelansprüche geltend gemacht hätten.

Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des FG kann die Klägerin im Umfang der Sicherungseinbehalte zu einer Minderung wegen Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG berechtigt sein. Zum Umfang und den Voraussetzungen dieser Sicherungseinbehalte sind aber noch weitere Feststellungen zu treffen.

Der Unternehmer soll mit der Umsatzsteuer als indirekter Steuer nicht belastet werden. Mit diesem Charakter der Umsatzsteuer ist eine Vorfinanzierung für einen Zeitraum von mehreren Jahren nicht zu vereinbaren. Die Vorfinanzierung der Umsatzsteuer über mehrjährige Zeiträume bei Unternehmen, die der Sollbesteuerung unterliegen, ist zudem im Verhältnis zur Besteuerung der Unternehmer, die der Istbesteuerung unterliegen, mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar.

Mit der Istbesteuerung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1b UStG i.V.m. § 20 UStG) hat der Gesetzgeber die ihm nach Unionsrecht eingeräumte Ermächtigung ausgeübt, für die Entstehung des Steueranspruchs nach Art. 66b MwStSystRL auf die Vereinnahmung des Preises abzustellen. Die Auslegung des Begriffs "Uneinbringlichkeit" muss allerdings auch dazu dienen, die Besteuerungsgleichheit zwischen den Besteuerungsformen der Soll- und Istbesteuerung zu gewährleisten. Daher ist von einer Steuerberichtigung nach § 17 UStG bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung auszugehen.

Darüber hinaus wäre die Verpflichtung zu einer mehrjährigen Vorfinanzierung der Umsatzsteuer mit Blick auf die dem Unternehmer zukommende Aufgabe, "öffentliche Gelder" als "Steuereinnehmer für Rechnung des Staates" zu vereinnahmen unverhältnismäßig. Ob dies auch für andere Fallgestaltungen wie etwa die Lieferung im Rahmen von Leasingverhältnissen zu gelten hat, war im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden.

Hintergrund:
Umsatzsteuerrechtlich müssen Unternehmer im Rahmen der sog. Sollbesteuerung ihre Leistungen bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung versteuern. Dies gilt unabhängig davon, ob der Unternehmer zu diesem Zeitpunkt die ihm zustehende Vergütung - bestehend aus Entgelt und Steuerbetrag - bereits vereinnahmt hat. Die Vorfinanzierung der Umsatzsteuer entfällt nach § 17 UStG erst dann, wenn der Unternehmer seinen Entgeltanspruch nicht durchsetzen kann.

Anders ist es bei der sog. Istbesteuerung. Dort werden solche Liquiditätsnachteile von vornherein dadurch vermieden, dass der Steueranspruch erst für den Voranmeldungszeitraum der Entgeltvereinnahmung entsteht. Zur Istbesteuerung sind allerdings nur kleinere Unternehmen und nicht bilanzierende Freiberufler berechtigt.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
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BFH PM Nr. 9 vom 4.2.2014
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