01.02.2024

Unionsrechtmäßigkeit der Fondsbesteuerung nach dem InvStG 2004

1. Ein nach luxemburgischem Recht errichteter Fonds für gemeinsame Anlagen (fonds commun de placement) in der Ausgestaltung eines spezialisierten Anlagefonds (fonds d'investissement spécialisé) kann als Zweckvermögen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 5 des Körperschaftsteuergesetzes zu qualifizieren sein und mit seinen inländischen Einkünften der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegen.
2. Der Ausschluss eines luxemburgischen Spezialimmobilienfonds von der persönlichen Steuerbefreiung des § 11 Abs. 1 Satz 2 des Investmentsteuergesetzes 2004 verstößt gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Anschluss an Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union L Fund vom 27.04.2023 - C-537/20, EU:C:2023:339, Internationales Steuerrecht 2023, 355); die Steuerbefreiung ist bei einer Veranlagung mittels geltungserhaltender Reduktion des nationalen Rechts zu gewähren.

Kurzbesprechung
BFH v. 11.10.2023 - I R 23/23 (I R 33/17)

KStG § 1 Abs 1 Nr. 5, § 2 Nr. 1, § 3 Abs 1
InvStG § 11 Abs 1 S 2, § 15 Abs 2 S 2, § 15 Abs 2 S 4
AEUV Art 63
InvG § 30
AO § 39 Abs 2 Nr. 1, § 85


Im Streitfall unterlag der Steuerpflichtige (ein nach luxemburgischem Recht errichteter Fonds für gemeinsame Anlagen (fonds commun de placement ‑ FCP ‑) in der Ausgestaltung eines spezialisierten Anlagefonds (fonds d'investissement spécialisé ‑ SIF ‑)nach den Maßstäben des innerstaatlichen Rechts der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht. Denn der Steuerpflichtige ist von seinem Typus her mit einem inländischen Investmentfonds vergleichbar und unterliegt als ausländisches sonstiges Zweckvermögen der Körperschaftsteuerpflicht.

Im Schrifttum ist umstritten, ob die Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 1 InvStG 2004, wonach das inländische Sondervermögen als Zweckvermögen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG gilt, konstitutiv die Körperschaftsteuerrechtssubjektivität eines Fonds begründet oder ob dieser Bestimmung lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt. Der BFH hat sich nun der zuletzt genannten Auffassung angeschlossen.

Der Steuerpflichtige als luxemburgischer FCP entspricht von seinem Typus her einem inländischen Investmentfonds und ist daher als sonstiges Zweckvermögen mit seinen inländischen Einkünften gemäß § 2 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG beschränkt körperschaftsteuerpflichtig.§ 3 Abs. 1 KStG schließt dessen beschränkte Körperschaftsteuerpflicht nicht aus.

Die Voraussetzungen für die Anwendung der in § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 enthaltenen Steuerbefreiung zugunsten des Steuerpflichtigen sind nach dem Wortlaut der Vorschrift zwar nicht erfüllt. Denn danach ist nur das in Satz 1 der genannten Regelung angesprochene inländische Sondervermögen von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer befreit.

Allerdings hat der für die Auslegung des Unionsrechts zuständige EuGH mit dem aufgrund des Vorlagebeschlusses des Senats im Rahmen des vorliegenden Verfahrens ergangenen Urteil L Fund vom 27.04.2023 - C-537/20, EU:C:2023:339 (IStR 2023, 355) entschieden, dass Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ‑‑AEUV‑‑ (Amtsblatt der Europäischen Union 2008, Nr. C 115, 47) dahin auszulegen ist, dass er den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach denen gebietsfremde Spezialimmobilienfonds für Immobilieneinkünfte, die sie auf dem Staatsgebiet dieses Mitgliedstaats beziehen, teilweise körperschaftsteuerpflichtig sind, gebietsansässige Spezialimmobilienfonds hingegen von dieser Steuer befreit sind.

Vor diesem Hintergrund war dem Steuerpflichtigen aus unionsrechtlichen Gründen die Steuerbefreiung des § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 einzuräumen. Auch kann die Gewährung der Steuerbefreiung nicht von der Voraussetzung abhängig gemacht werden, dass es zu einer mit inländischen Strukturen vergleichbaren Anlegerbesteuerung kommt.

Der BFH stellte heraus, dass er und die konkret am vorliegenden Rechtsstreit Beteiligten an die im Revisionsverfahren eingeholte Vorabentscheidung des EuGH gebunden und daher nicht befugt sind, von der Antwort des EuGH abzuweichen.

Der Tenor des EuGH-Urteils L Fund vom 27.04.2023 - C-537/20, EU:C:2023:339 (IStR 2023, 355) ist im Lichte seiner Entscheidungsgründe auszulegen. Gemessen daran kann kein Zweifel bestehen, dass der EuGH den Ausschluss des Steuerpflichtigen von der Steuerbefreiung des § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 als einen Verstoß gegen die unionsrechtlich verbürgte Kapitalverkehrsfreiheit erachtet hat. Um den Anwendungsvorrang des Primärrechts der Union sicherzustellen, muss das Tatbestandsmerkmal "inländisch" in § 11 Abs. 1 Satz 1 InvStG 2004, auf das Satz 2 der Regelung unmittelbar Bezug nimmt, zugunsten des Steuerpflichtigen unbeachtet bleiben, die Norm ist aber im Übrigen zur Anwendung zu bringen.

§ 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004, der aus unionsrechtlichen Gründen beim Steuerpflichtigen zur Anwendung kommt, gewährt eine persönliche Steuerbefreiung. In einem solchen Fall darf ein Körperschaftsteuerbescheid, selbst wenn mit ihm eine Steuer von 0 € festgesetzt wird, nicht ergehen. Ergeht er dennoch, ist er ersatzlos aufzuheben.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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