20.07.2012

Verstößt die pauschale Besteuerung von Erträgen aus sog. "intransparenten" Investmentfonds gegen EU-Recht?

Verstößt die pauschale Besteuerung von Erträgen aus sog. "intransparenten" (inländischen und) ausländischen Investmentfonds gemäß § 6 InvStG gegen europäisches Gemeinschaftsrecht (Art. 56 EG), weil sie eine verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs (Art. 58 Abs. 3 EG) darstellt? Diese Frage hat das FG Düsseldorf nun dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.

FG Düsseldorf 3.5.2012, 16 K 3383/10 F
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Alleinerbin ihres im August 2002 verstorbenen aus Belgien stammenden Ehemannes. Dieser hatte Anteile an ausländischen Investmentfonds erworben und diese in einem Depot bei der BBL/ING-Bank Belgien gehalten. Nachdem der gemeinsame Sohn und Kläger zu 2) seinen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hatte, übertrug die Klägerin zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs im Jahre 2003 das Depot zur Hälfte auf den Kläger. Dementsprechend wurden Erträge aus den (fortgeführten) Kapitalanlagen ab 2003 einheitlich und gesondert festgestellt und den Klägern hälftig zugerechnet.

Die Kläger erzielten hieraus im Jahr 2003 sowie in den Streitjahren 2004 bis 2008 unstreitig geringfügige Zinsen (aus laufender Rechnung) sowie Erträge aus den Investmentanteilen ("Fondserträge"). Bezogen auf die Streitjahre bis 2006 handelte es sich bei sämtlichen Investmentanteilen um Anteile an sog. "schwarzen" Fonds, deren Besteuerung bis zum Jahre 2003 in § 18 Abs. 3 AuslInvestmG geregelt war, bzw. um Anteile an sog. "intransparenten" Fonds, deren Besteuerung ab dem Jahre 2004 (u.a.) in § 6 InvStG geregelt ist. Genauer gesagt handelte es sich sämtlich um thesaurierende Fonds.

Die Kläger waren der Ansicht, dass die für Jahre ab 2004 geltende Regelung in § 6 InvStG gemeinschaftsrechtswidrig sei. Das FG hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH mit der Rechtsfrage, ob die pauschale Besteuerung von Erträgen aus sog. "intransparenten" (inländischen und) ausländischen Investmentfonds gem. § 6 InvStG gegen europäisches Gemeinschaftsrecht (Art. 56 EG) verstößt, weil sie eine verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs (Art. 58 Abs. 3 EG) darstellt, zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Die Gründe:
Sofern diese Frage zu bejahen ist, muss der Klage teilweise -entsprechend der für das Jahr 2003 getroffenen tatsächlichen Verständigung durch eine individuelle, auf die Streitjahre bezogene Schätzung - entsprochen werden. Ist die Frage aber zu verneinen, ist die Klage als unbegründet abzuweisen.

Ob die in § 6 InvStG nunmehr gleichermaßen für inländische und ausländische "intransparente" Investmentfonds geregelte Pauschalbesteuerung der Erträge den unionsrechtlichen Anforderungen des Diskriminierungs- und Beschränkungsverbots entspricht, ist im Schrifttum vielfach verneint bzw. zumindest bezweifelt worden. Insbesondere wird hierzu vorgebracht, dass § 6 InvStG "de facto" auf ausländische Investmentfonds zugeschnitten sei, weil inländische Fonds nahezu ausnahmslos die Anforderungen des § 5 Abs. 1 InvStG erfüllen und ausländischen Fonds oftmals keine Veranlassung hätten, den Pflichten des § 5 Abs. 1 InvStG nachzukommen.

Infolgedessen liege trotz formaler Gleichstellung inländischer und ausländischer "intransparenter" Investmentfonds eine "verdeckte" bzw. "faktische" Diskriminierung vor. Eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit könne etwa darin bestehen, dass einerseits der ausländische Fonds keine deutschen Anleger für sich gewinnen könne, wenn er nicht die Anforderungen des § 5 InvStG erfülle, und andererseits deutsche Anleger von ausländischen Investmentfonds Abstand nehmen. Denn diese kommen häufig nicht den Anforderungen des § 5 InvStG nach, indem sie etwa die Investmenterträge nicht in deutscher Sprache mitteilen oder die erforderlichen Angaben nicht im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichen.

Angesichts dessen ist die ab 2004 geltende Gesetzeslage aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht nicht ganz frei von Zweifeln. Dieser Beurteilung steht auch nicht das BFH-Urteil v. 18.11.2008 (Az.: VIII R 24/07) entgegen. Soweit der BFH in diesem Urteil die Besteuerung von Erträgen aus im Inland nicht registrierten ausländischen Investmentfonds (sog. "schwarze" Fonds) gem. § 18 Abs. 3 AuslInvestmG als offensichtlich gemeinschaftswidrig beurteilt und dabei mehrfach die ab 2004 geltende, geänderte Gesetzeslage angesprochen hat, hat er sich jedenfalls nicht mit dem vorerwähnten, im Schrifttum geltend gemachten Gesichtspunkt der "verdeckten" bzw. "faktischen" Diskriminierung befasst. So gesehen steht selbst eine Annahme, dass der BFH § 6 InvStG "wohl für rechtmäßig hält", gemeinschaftsrechtlichen Zweifeln nicht entgegen.

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