16.09.2013

Voller Betriebsausgabenabzug für Fahrten eines selbstständigen Steuerberaters zu seinem Hauptauftraggeber

Fahrten eines selbstständigen Steuerberaters zu seinem Hauptauftraggeber unterliegen nicht dem beschränkten Betriebsausgabenabzug für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte. Die BFH-Rechtsprechung, nach der Arbeitnehmer bei einem Kunden ihres Arbeitgebers keine regelmäßige Arbeitsstätte haben, selbst wenn sie dort länger eingesetzt sind, ist auf selbstständig Tätige zu übertragen.

FG Münster 10.7.2013, 10 K 1769/11 E
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist seit 1998 Steuerberater und hat sich mit dem Schwerpunkt internationale Rechnungslegung spezialisiert. Er ist seit Oktober 2006 selbstständig tätig, ohne mit einem eigenen Telefoneintrag oder anderen Werbemaßnahmen an die Öffentlichkeit zu treten. Im Streitjahr 2009 war sein Hauptauftraggeber, von dem der Kläger als freier Mitarbeiter rund 61 % seiner Nettoeinnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit erzielte, eine in S. ansässige Steuerberaterpraxis, für die der Kläger seit etwa 2006 tätig ist. Seine Leistungen für die Steuerberaterpraxis muss der Kläger an deren Sitz in S. erbringen, den er im Streitjahr an insgesamt 181 Tagen aufsuchte. Er konnte dabei über seine Arbeitszeiten frei bestimmen und regelmäßig den gleichen Arbeitsplatz und das Equipment der Steuerberaterpraxis nutzen.

Neben der Tätigkeit für die Steuerberaterpraxis war der Kläger für einen international tätigen Konzern und weitere Mandanten aus dem Raum E. und L. tätig. Die Tätigkeit für diese Mandanten übte der Kläger von seiner aus 2 Zimmern und Bad bestehenden Wohnung in E. aus. In seiner Gewinnermittlung für 2009 berücksichtigte der Kläger als Betriebsausgaben Kosten für einen geleasten betrieblichen Pkw, mit dem er im Jahr 2009 insgesamt 35.604 km zurücklegte. Mit dem Finanzamt stritt er darüber, ob die Aufwendungen für die Fahrten mit seinem überwiegend betrieblich genutzten Auto zu seinem Hauptauftraggeber in vollem Umfang oder nur mit einer Entfernungspauschale von 0,30 € für jeden vollen Kilometer als Betriebsausgaben abziehbar waren. Nach Überprüfung des Fahrtenbuchs vertrat die Steuerbehörde die Ansicht, die Steuerberaterpraxis in S. stelle die regelmäßige Betriebsstätte des Klägers dar.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Der Einkommensteuerbescheid für 2009 war rechtwidrig, da das Finanzamt hierin die auf die Fahrten nach S. entfallenden Fahrzeugkosten nicht in voller Höhe als Betriebsausgaben berücksichtigt, sondern unter Anwendung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG gekürzt hatte.

Die Vorschrift war im vorliegenden Fall nicht anzuwenden, weil der Kläger bei der aus Gründen der Gleichbehandlung gebotenen Anwendung der neueren BFH-Rechtsprechung zur regelmäßigen Arbeitsstätte von Arbeitnehmern auch auf die übrigen Steuerpflichtigen im Streitjahr 2009 am Sitz der Steuerberaterpraxis keine Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO oder des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 S. 1 EStG unterhielt und damit auch keine Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte vorlagen. Eine Betriebsstätte i.S.v. § 12 S. 1 AO lag nicht vor. Der BFH hat seine die regelmäßige Arbeitsstätte von Arbeitnehmern betreffende Rechtsprechung inzwischen aufgegeben bzw. modifiziert.

Regelmäßige Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG ist nach der neueren BFH-Rechtsprechung nur noch jede ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wieder aufsucht; dies ist regelmäßig der Betrieb des Arbeitgebers oder ein Zweigbetrieb. Die BFH-Rechtsprechung, nach der Arbeitnehmer bei einem Kunden ihres Arbeitgebers keine regelmäßige Arbeitsstätte haben, selbst wenn sie dort länger eingesetzt sind, ist auf selbstständig Tätige wie den Kläger zu übertragen.

Die Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs war im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt, da der Steuerpflichtige nicht die Möglichkeit hatte, sich auf die Tätigkeitsstätte einzustellen. Dies galt für den Kläger insbesondere deshalb, weil er lediglich als freier Mitarbeiter für seinen Hauptauftraggeber tätig gewesen war und jederzeit hätte gekündigt werden können. Allerdings hat der Senat die Revision zugelassen, um dem BFH Gelegenheit zu geben, die Maßgeblichkeit der Rechtsprechung des VI. Senats auch für die Anwendung von § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG zu bestätigen.

Linkhinweis:

FG Münster Newsletter v. 16.9.2013
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