01.12.2011

Vorlage an BVerfG: Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags zur Körperschaftsteuer verfassungswidrig?

Der BFH hat dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob es den allgemeinen Gleichheitssatz und die Grundsätze rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes verletzt, dass die Rückzahlung des Körperschaftsteuerguthabens weder die Bemessungsgrundlage zum Solidaritätszuschlag mindert noch ein Anspruch auf Auszahlung eines Solidaritätszuschlagguthabens besteht. Die Entscheidung ist für alle Kapitalgesellschaften bedeutsam, die Ende 2006 aus der Zeit des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens noch über ein Körperschaftsteuerguthaben verfügen.

BFH 10.8.2011, I R 39/10
Der Sachverhalt:
Bis Ende 2000 wurden die von Kapitalgesellschaften einbehaltenen und nicht ausgeschütteten Gewinne mit zuletzt 40 % besteuert. Zusätzlich wurde hierauf der Solidaritätszuschlag erhoben. Wurde der Gewinn später ausgeschüttet, reduzierte sich die Körperschaftsteuer auf zuletzt 30 % und der Solidaritätszuschlag minderte sich. Ab 2001 löste das sog. Halbeinkünfteverfahren das Anrechnungsverfahren ab. Die Gewinne der Körperschaften werden seither nur noch mit einem einheitlichen Körperschaftsteuersatz von zunächst 25 % und nunmehr 15 % zuzüglich Solidaritätszuschlag belastet.

Damit den Kapitalgesellschaften ihr Körperschaftsteuerminderungspotential erhalten bleibt, wurde das Ende 2000 mit Thesaurierungssteuer belastete verwendbare Eigenkapital der Kapitalgesellschaften in ein Körperschaftsteuerguthaben umgewandelt, das während einer Übergangszeit von ursprünglich 15 Jahren (später 18 Jahren) unter grundsätzlicher Beibehaltung des bisherigen Anrechnungsverfahrens abgebaut werden konnte. Beschlossen die Kapitalgesellschaften die Ausschüttung dieses Kapitals, verringerte sich zugleich die Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag.

Mit Wirkung ab 2007 änderte sich das Gesetz. Die Rückzahlung des Körperschaftsteuerguthabens wurde aus dem Veranlagungsverfahren gelöst. Die Körperschaften haben nunmehr innerhalb eines Auszahlungszeitraumes von 2008 bis 2017 einen Anspruch auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens in zehn gleichen Jahresbeträgen. Auf den Solidaritätszuschlag wirkt sich dies im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage nicht mehr aus. Infolgedessen lehnte im vorliegenden Fall das Finanzamt einen Antrag der Klägerin auf gesonderte Festsetzung eines Anspruchs auf Auszahlung eines entsprechenden Solidaritätszuschlagguthabens ab. Die Klägerin war der Ansicht, das Solidaritätszuschlaggesetz enthalte eine planwidrige Lücke.

Das FG wies die gegen die Ablehnung gerichtete Sprungklage ab. Auf die Revision der Klägerin hat der BFH das Verfahren ausgesetzt und die Sache dem BVerfG mit der Frage vorgelegt, ob § 3 SolZG 1995 n.F. insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als Auszahlungen des Körperschaftsteuerguthabens gem. § 37 Abs. 5 KStG 2002 i.d.F. des SEStEG die Bemessungsgrundlage zum Solidaritätszuschlag nicht mindern und § 3 SolZG 1995 n.F. oder eine andere Vorschrift auch nicht die Festsetzung eines Anspruchs auf ein Solidaritätszuschlagguthaben anordnet.

Die Gründe:
Nach Überzeugung des Senats ist § 3 SolZG 1995 n.F. verfassungswidrig.

Es werden diejenigen Steuerpflichtigen benachteiligt, die im Vertrauen auf die ursprüngliche Regelung davon abgesehen haben, durch Gewinnausschüttungen ihr Körperschaftsteuerguthaben anzufordern. Ein sachlicher Grund für diese Benachteiligung war nicht ersichtlich. Die vom Gesetzgeber angeführten Gründe für die Änderung des Körperschaftsteuergesetzes - Missbrauchsabwehr, Verwaltungsvereinfachung, Vorhersehbarkeit der finanziellen Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte - rechtfertigen die nachteilige Änderung für den Solidaritätszuschlag nicht.

Bestätigt der Gesetzgeber durch eine bestimmte Regelung für einen Übergangszeitraumes die Fortdauer des bisherigen Rechts, setzt er einen besonderen Vertrauenstatbestand. Eine Änderung dieser Regelung zu Lasten der Steuerpflichtigen ist somit nur zulässig, wenn erhebliche Gründe des Gemeinwohls dies geböten. Solche Gründe waren allerdings nicht ersichtlich.

Linkhinweis:

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BFH PM Nr. 96 vom 30.11.2011
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