08.07.2014

Vorsteuerabzug bei Zweifeln an der tatsächlichen Lieferung

Nach ständiger BFH-Rechtsprechung des BFH sind auch im Aussetzungsverfahren die Regeln über die Verteilung der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu beachten. Die objektive Beweislast für das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs trägt dementsprechend der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer.

FG Düsseldorf 26.3.2014, 1 V 3235/13 A(U)
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin betrieb in den Streitjahren 2007 bis 2009 einen Einzelhandel mit Textilien mit zwei Ladenlokalen. Anlässlich einer Betriebsprüfung hinsichtlich der Streitjahre stellte der Prüfer u.a. fest, dass die Antragstellerin in den Veranlagungszeiträumen 2007 bis 2009 Vorsteuerbeträge i.H.v. 9.614 € (2007), 18.804 € (2008) und 30.134 € (2009) aus mehreren Rechnungen einer Firma D, Inhaber E., über die Lieferungen von Kleidungsstücken abgezogen hatte. Der Prüfer vertrat die Auffassung, der Vorsteuerabzug aus den genannten Rechnungen sei zu versagen, da den Rechnungen tatsächlich keine entsprechenden Lieferungen des E. an die Antragstellerin zugrunde gelegen hätten.

Seine Auffassung stützte der Prüfer auf eine Selbstanzeige des E. aus dem Jahr 2010, in der dieser erklärt hatte, in der Zeit von 2007 bis 2010 weder Textileinkäufe vorgenommen noch Textilverkäufe durchgeführt zu haben, sondern anderen Großhändlern Scheinrechnungen erteilt zu haben, um diesen einen Vorsteuerabzug zu ermöglichen. Die Antragstellerin beantragte die Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide. So habe der E. in seiner Selbstanzeige lediglich ausgeführt, anderen Großhändlern Scheinrechnungen erteilt zu haben. Bei ihr handele es sich hingegen um eine Einzelhändlerin.

Das FG wies den Antrag zurück. Allerdings wurde die Beschwerde zugelassen.

Die Gründe:
Nach ständiger BFH-Rechtsprechung sind auch im Aussetzungsverfahren die Regeln über die Verteilung der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu beachten. Die objektive Beweislast für das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs trägt dementsprechend der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer. Die gebotene Berücksichtigung der objektiven Beweislast führt zwar nicht generell dazu, im Aussetzungsverfahren ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Vorsteuerabzugs zu verneinen. Entscheidend sind vielmehr stets die Umstände des Einzelfalles und das Gewicht der Gründe, die Anlass zum Zweifel geben. Dementsprechend kann je nach der gegebenen Sachlage eine Aussetzung der Vollziehung gerechtfertigt oder abzulehnen sein.

Infolgedessen war im vorliegenden Fall keine Aussetzung der Vollziehung zu gewähren. Denn angesichts der Feststellungen des Antragsgegners sprachen erhebliche Umstände gegen die Behauptung der Antragstellerin, E. habe die in den streitigen Rechnungen aufgeführten Waren tatsächlich an die Antragstellerin geliefert. Von wesentlicher Bedeutung war insoweit, dass E. im Rahmen seiner Selbstanzeige erklärt hatte, entgegen den Angaben in den von ihm erteilten Rechnungen in den Streitjahren tatsächlich keine Lieferungen von Textilien ausgeführt zu haben.

Soweit in der Selbstanzeige von Scheinrechnungen an "Großhändler" die Rede war, sollte damit nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass es sich bei den Rechnungen an Textileinzelhändler nicht um Scheinrechnungen gehandelt habe. Gegen ein solches Verständnis sprach etwa der in der Selbstanzeige enthaltene Satz: "Tatsächlich hat E. weder Textileinkäufe vorgenommen, noch Textilverkäufe durchgeführt." Denn wenn die Selbstanzeige nur einen Teil der von E. erteilten Ausgangsrechnungen hätte betreffen sollen, hätte es nahegelegen, zum Ausdruck zu bringen, bei welchen Rechnungen an welche Adressaten es sich um Scheinrechnungen handelte und welche Adressaten tatsächlich mit Textilien beliefert wurden. In gleicher Weise wäre auf der Wareneingangsseite eine entsprechende Aufteilung erforderlich gewesen. Durch seine Angaben hatte E. sich zudem selbst erheblich belastet. Dieser Gesichtspunkt sprach ganz erheblich für den Wahrheitsgehalt.

Die Zulassung der Beschwerde erfolgte zur Fortbildung des Rechts im Hinblick auf die neuere EuGH-Rechtsprechung (Urteile v. 21.6.2012, Rs. C-80/11 und C-142/11 - Mahagében und Dávid; 6.12.2012, Rs. C-285/11 - Bonik EOOD -; 31.1.2013, Rs. C-642/11 - Stroy trans EOOD, Rs. C-643/11 - LVK - 56 EOOD).

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