17.03.2022

Vorsteuerabzug einer Gemeinde im Rahmen ihrer wirtschaftl. Tätigkeit - Errichtung einer Touristenattraktion

Der Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen für Leistungen im Zuge der Erstellung einer kostenlos nutzbaren Touristenattraktion (hier: Hängeseilbrücke) kann dann in Betracht kommen, wenn die Eingangsleistungen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer entgeltlichen Leistung (hier: Parkraumbewirtschaftung) stehen.

Kurzbesprechung
BFH v. 20.10.2021 - XI R 10/21

UStG §§ 2 Abs. 3 Satz 1, 15 Abs. 1 Satz 1; MwStSystRL Art. 168 Buchst. a

Strittig ist der Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen einer Ortsgemeinde für die Streitjahre 2013 bis 2015. Diese fielen an i.Z.m. dem Bau einer Touristenattraktion, insbesondere aus den Bau- und Planungskosten der Touristenattraktion selbst sowie teilweise aus den Baukosten für ein Besucherzentrum und Kosten für die Erstellung und Betrieb einer Internetseite.

Eine Gemeinde ließ im Jahr 2015 eine Hängeseilbrücke bauen. Zugleich wurde für die zu erwartenden Besucher ein Parkplatz hergestellt. Die Gemeinde bewirtschaftete den Parkplatz in der Weise, dass sie Parkgebühren erhob. Das FA war der Auffassung, dass zwischen der Parkplatzvermietung und den in Anspruch genommenen Leistungen zur Errichtung der Brücke kein unmittelbarer Zusammenhang bestehe. Deshalb dürfe die Gemeinde die Vorsteuer, also die in den ihr erteilten Rechnungen der Bauunternehmen ausgewiesene Umsatzsteuer, nicht abziehen.

Das FG Rheinland-Pfalz gab der Klage der Stpfl. gegen durch das FA entsprechend erlassende USt-Bescheide statt. Die Stpfl. sei mit der Erhebung von Parkgebühren unternehmerisch - und nicht hoheitlich - tätig geworden und somit Unternehmerin i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG bzw. Steuerpflichtige i.S.d. Art. 168 MwStSystRL. Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts und trägt vor, dass die Zuordnung der Brücke zum unternehmerischen Bereich nicht möglich sei, denn sie sei dem Allgemeingebrauch gewidmet.

Die Revision ist zwar - aus anderen Gründen als den vom FA vorgetragenen - erfolgreich und führt zur Aufhebung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG, gleichwohl teilt der BFH grds. die rechtlichen Erwägungen des FG hinsichtlich des Vorsteuerabzugsrechts der Gemeinde.

Nach Auffassung des BFH hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass die geltend gemachten Vorsteuern aus den Eingangsrechnungen dem Grunde nach anzuerkennen sind. Denn die streitigen Eingangsleistungen stehen in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit einer entgeltlichen Leistung und die Stpfl. ist durch die Erhebung der Parkgebühren unternehmerisch tätig geworden. Jedoch sind die Vorsteuern der Höhe nach nicht im vollen Umfang abzugsfähig, weil die Stpfl. zumindest bis zur Umwidmung des Busparkplatzes auch nicht wirtschaftlich tätig war.

Die tatsächliche Würdigung des FG, dass die streitigen Eingangsleistungen i.Z.m. einer entgeltlichen Leistung stehen, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet.

Die Leistungen im Streitfall (Bereitstellung der Brücke und Teile des Besucherzentrums, Unterstellmöglichkeit für die Besucher, Beschilderung der Wanderwege, Einweihung der Brücke, Internetauftritt und Öffentlichkeitsarbeit) sind zwar nicht an eine Gegenleistung gebunden, so dass die Parkgebühren danach kein Entgelt für diese Bereitstellung darstellen. Die Einrichtungen stehen unstreitig der Allgemeinheit kostenlos zur Verfügung und die Parkgebühren werden nicht zur Benutzung der Brücke und der Unterstellmöglichkeit sowie zur Nutzung der Wanderwege erhoben. Der Parkplatzbenutzer hat insoweit keinen Vorteil erhalten, den nicht jeder andere Besucher, der nicht dort parkt, auch erhält. Allerdings besteht ein Zusammenhang der streitigen Eingangsleistungen mit einer entgeltlichen Leistung wie im Sachverhalt zu der Entscheidung des EuGH in der Rs. "Sveda", was das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt hat.

Die Würdigung des FG, ob ein unmittelbarer Zusammenhang im Sinne eines Leistungsaustauschs besteht, liegt auf tatsächlichem Gebiet und bindet das Revisionsgericht gem. § 118 Abs. 2 FGO. Das FG hat dabei darauf hingewiesen, dass bereits in der Willensbildung des Gemeinderates seit 2011 und vor Baubeginn der Brücke sichtbar geworden sei, dass die Erzielung von Einnahmen durch Parkgebühren bei der Finanzierung der Brücke eine Rolle gespielt habe. Die Aufwendungen insbes. für die Brücke würden daher in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit den Umsätzen der Stpfl. aus den Parkgebühren stehen. Diese Würdigung ist aufgrund der vom FG festgestellten Tatsachen möglich, sie ist weder durch Denkfehler noch durch die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst und bindet somit den Senat.

Vgl. dazu auch Heinrichshofen, UStB 2021, 180 - Kommentierung von FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23.2.2021 - 3 K 1311/19. Mehr zu der Thematik: Wäger, Rechtsprechungsauslese 2020, UR 2021, 42; Heuermann, Vorsteuerabzug zwischen Verwendung und Verwendungsabsicht, UR 2021, 262.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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