13.05.2014

Zum Abzug von Zivilprozesskosten aus einem Berufungsverfahren als außergewöhnliche Belastungen

Die Kosten eines Zivilprozesses konnten nach der neuen BFH-Rechtsprechung (Urt. v. 12.5.2011) zu dem Rechtsstand vor dem 30.6.2013 unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig entstehen. Entgegen der früheren Rechtsprechung war für die Frage der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten nicht auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen.

FG Münster 20.3.2014, 5 K 1023/12 E
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war im Jahr 2000 von ihrem Ehemann (E.) geschieden worden. Da beide Eigentümer eines Zweifamilienhauses waren, hatten sie zuvor einen Ehevertrag geschlossen, in dem geregelt war, dass ein Verkauf des Hauses bis zum Abitur des Kindes ausgeschlossen ist. Die Hauslasten sollten, solange noch beide in getrennten Haushalten wohnten, weiterhin von E. getragen werden. Die Klägerin bewohnte im Haus die untere Wohnung - auch nachdem E. im Februar 2001 auszog.

Die Parteien führten in den Folgejahren Verhandlungen über die Auseinandersetzung des Hauseigentums. Schließlich ging E. gerichtlich gegen die Klägerin vor, woraufhin diese Widerklage erhob. Die Parteien schlossen vor dem AG einen Vergleich. Regelungen zur Nutzungsentschädigung vor 2009 und der Frage der Teilung der Kreditbelastungen wurden nicht getroffen. Danach wies das AG die Widerklage ab und verurteilte die Klägerin, an E. 2.519 € Nutzungsentschädigung für 2008 zu zahlen. Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein. In der mündlichen Verhandlung vor dem OLG schlossen Parteien dann einen Vergleich, woraufhin die Nutzungsentschädigung entfiel.

In ihrer Einkommensteuererklärung machte die Klägerin unter Hinweis auf die neuere BFH-Rechtsprechung (Urt. v. 12.5.2011, Az.: VI R 42/10) die ihr in 2010 entstandenen Zivilprozesskosten aus dem Berufungsverfahren i.H.v. 6.331 € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt berücksichtigte die Kosten allerdings nicht. Zwar habe der BFH zuletzt zu Zivilprozesskosten in Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden. Die Behörde sei jedoch an den Nichtanwendungserlass des BMF gebunden und halte an der bisher geltenden BFH-Rechtsprechung fest.

Das FG gab der Klage statt. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Das Finanzamt hatte den Abzug der aus dem Zivilrechtsstreit als außergewöhnliche Belastungen zu Unrecht versagt.

Mit Wirkung vom 30.6.2013 ist in § 33 Abs. 2 EStG ein S. 4 ergänzt worden, wonach der Abzug von "Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten)" als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen ist, "es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können". Für die Zeit davor und damit auch für das Streitjahr 2010 fehlte eine solche gesetzliche Regelung. Die Kosten eines Zivilprozesses konnten nach der neuen BFH-Rechtsprechung (Urt. v. 12.5.2011) zu dem Rechtsstand vor dem 30.6.2013 unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig entstehen. Entgegen der früheren Rechtsprechung war für die Frage der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten nicht auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen.

Demnach musste der Steuerpflichtige den Prozess unter verständiger Würdigung des Für und Wider - auch des Kostenrisikos - eingegangen sein. Demgemäß waren Zivilprozesskosten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot. Eine nur entfernte, gewisse Erfolgsaussicht reichte nicht aus, um die Zivilprozesskosten als unausweichlich und damit als zwangsläufig ansehen zu können. Der Erfolg musste mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie ein Misserfolg.

Infolgedessen waren die für 2010 geltend gemachten Prozesskosten der Klägerin als außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Aufwendungen waren ihr zwangsläufig entstanden. Der Rechtsstreit hatte den Eingang in die erste Instanz nicht auf Betreiben der Klägerin gefunden, schließlich hatte E. geklagt. Hierauf hat die Klägerin von ihrem Recht Gebrauch gemacht, Widerklage zu erheben Im Hinblick darauf, dass für das gemeinsame Haus hinsichtlich Nutzung und Eigentum eine Gesamtlösung gefunden werden musste, hatte sie nicht mutwillig Widerklage erhoben. Nach summarischer Prüfung konnte nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Klägerin nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens mutwillig oder leichtfertig auf das Berufungsverfahren eingelassen hatte. Vielmehr bestand durchaus eine hinreichende Erfolgsaussicht, die sich in dem vor dem OLG geschlossenen Prozessvergleich, mit dem u.a. die Nutzungsentschädigung für 2008 wieder zurückgenommen wurde, realisierte.

Im Hinblick auf die abweichende Auffassung der Finanzverwaltung und die zu der Rechtsfrage beim BFH anhängigen Revisionsverfahren (z.B. VI R 66/12, X R 34/12 und VI R 56/13) war die Revision zuzulassen.

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