11.07.2013

Zum Eintritt der Rechtsfolgen des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG

Für den Eintritt der Rechtsfolgen des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG bei einer privaten Grundstücksveräußerung reicht es nicht aus, wenn die Vertragsbeteiligten zwar bindende Willenserklärungen abgegeben haben, der Vertrag aber wegen Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung oder eines Genehmigungsvorbehalts noch schwebend unwirksam ist. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit und damit des Bedingungseintritts bzw. der Erteilung der Genehmigung.

FG Münster 22.5.2013, 10 K 15/12 E
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte mit Kaufvertrag vom 3.3.1998 von der Deutsche Bahn ein Teilgrundstück erworben. Als Stichtag für den Besitzübergang wurde der 1.4.1998 vereinbart. Der Kläger vermietete das Grundstück zunächst. Am 30.1.2008 schloss er dann mit der Stadt A. einen notariellen Kaufvertrag über das bebaute Grundstück zu Kaufpreis von 309.632 €. Die Eigentumsumschreibung im Grundbuch sollte u.a. erst mit Entwidmung durch die Deutsche Bundesbahn erfolgen. Außerdem wurde die Käuferin über die Risiken einer Kaufpreiszahlung bei schwebender Unwirksamkeit des Vertrages hingewiesen. Am 10.12.2008 erteilte das Eisenbahn-Bundesamt gegenüber der Stadt A. einen Freistellungsbescheid.

In seiner Einkommensteuererklärung 2008 gab der Kläger an, dass private Veräußerungsgeschäfte, insbesondere Grundstücks- und Wertpapierveräußerungen, nicht getätigt worden seien. Das Finanzamt berücksichtigte bei der Festsetzung der Einkommensteuer aber trotzdem die Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft i.H.v. 124.776 € aufgrund der Veräußerung des Grundstücks. Es war der Ansicht, dass für die Berechnung des Zehnjahreszeitraums gem. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG grundsätzlich der Zeitpunkt maßgebend sei, in dem der obligatorische Vertrag abgeschlossen werde. Der Kläger hielt dagegen, es komme nicht allein auf den Zeitpunkt der notariellen Urkundserrichtung an, sondern auf den Vertragsschluss und den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums.

Das FG gab der Klage statt. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen. Die Sache ist beim BFH unter dem Az.: IX R 22/13 anhängig.

Die Gründe:
Das Finanzamt durfte den Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks nicht der Besteuerung gem. § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG unterwerfen.

Maßgeblicher Anschaffungszeitpunkt i.S.v. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG für das Grundstück war der Tag des Abschlusses des Kaufvertrages mit der Deutsche Bahn am 3.3.1998. Für den Zeitpunkt der Anschaffung ist der Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts, der schuldrechtlichen Vereinbarung maßgeblich. Auf den dinglichen Vollzug kommt es nicht an. Für den Zeitpunkt der Veräußerung eines Grundstücks und damit für die Berechnung des Zehnjahres-Zeitraums gem. § 23 Abs. 1 S. 1  Nr. 1 EStG kommt es ebenfalls auf den Zeitpunkt des Abschlusses des obligatorischen (Verkaufs-) Vertrages, also des zivilrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts an. Infolgedessen war die die zehnjährige Veräußerungsfrist i.S.v. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG vorliegend abgelaufen, denn eine Veräußerung war nicht schon im Zeitpunkt der Unterzeichnung des notariellen Kaufvertrages am 30.1.2008 anzunehmen, weil der Kaufvertrag zu diesem Zeitpunkt noch nicht zivilrechtlich wirksam war.

Der Kaufvertrag zwischen dem Kläger und der Stadt A. sah vor, dass dieser nur dann wirksam werde (schwebend bedingt), wenn die Deutsche Bundesbahn bzw. die dafür zuständige Behörde die Entwidmung des Grundstücks erkläre. Diese vertragliche Bestimmung war unter Berücksichtigung des Willens der Vertragsparteien und des Gesamtzusammenhangs der vertraglichen Regelungen als aufschiebende Bedingung i.S.v. § 158 Abs. 1 BGB auszulegen. Für den Eintritt der Rechtsfolgen des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG reicht es nicht aus, wenn die Vertragsbeteiligten - wie hier - zwar bindende Willenserklärungen abgegeben haben, der Vertrag aber wegen Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung oder eines Genehmigungsvorbehalts noch schwebend unwirksam ist. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit und damit des Bedingungseintritts bzw. der Erteilung der Genehmigung, also hier der 10.12.2008.

Die spätere Erteilung der Freistellungsbescheinigung führte auch nicht dazu, dass der Grundstückskaufvertrag rückwirkend gem. § 184 BGB wirksam wurde. Bei der Erteilung der Freistellungsbescheinigung handelte es sich nicht um eine Genehmigung des Kaufvertrages i.S.v. § 184 BGB, sondern um eine aufschiebende Bedingung gem. § 158 BGB, deren Eintritt keine rückwirkende Wirkung entfaltet. Im Übrigen wäre auch eine Rückwirkung gem. § 184 BGB nach ständiger BFH-Rechtsprechung nicht in die Spekulationsfristberechnung einzubeziehen.

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