25.06.2012

Zum fehlenden Rechtsschutzinteresse einer Verpflichtungsklage

Im Fall, dass das Finanzamt eine Erörterung des Sach- und Rechtsstands gem. § 364a AO ablehnt, ist eine hiergegen erhobene Klage wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Hiergegen lässt sich nicht einwenden, dass der Einspruchsführer schutzlos gestellt würde.

BFH 11.4.2012, I R 63/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GmbH. Sie hatte im Dezember 2010 während des beim Finanzamt anhängigen Einspruchsverfahrens um eine Erörterung des Sach- und Rechtsstands nach § 364a AO gebeten. Das Gespräch sollte - ggf. in Verbindung mit einer tatsächlichen Verständigung - der gütlichen Einigung dienen.

Das Finanzamt lehnte den Antrag ab und verwies hierbei darauf, dass es im Hinblick auf das erfolglos gebliebene gerichtliche Aussetzungsverfahren keine Möglichkeit einer Verständigung sehe. Auf den Einspruch der Klägerin nahm die Behörde dahin Stellung, dass die Ablehnung eines Antrags auf Erörterung des Sach- und Rechtsstands Verwaltungsaktcharakter habe, aber als verfahrensleitende Verfügung entsprechend dem Ablehnungszweck nicht anfechtbar sei. Insoweit werde das sog. "Einspruch"-Schreiben nicht als Einspruch behandelt. Der Antrag der Klägerin diene offensichtlich nur der Verfahrensverschleppung. Schließlich habe die Klägerin die Zeit des gerichtlichen Aussetzungsverfahrens für keinerlei Gespräche genutzt.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Verpflichtungsklage ab. Die Revision der Klägerin blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Das Bescheidungsbegehren war durch Prozessurteil abzuweisen.

Im Schrifttum ist umstritten, ob ein Rechtsbehelf gegen die Ablehnung eines Antrags auf Erörterung des Sach- und Rechtsstands nach § 364a Abs. 1 AO zulässig ist. Der BFH hat hierzu noch nicht Stellung genommen. Der Senat schließt sich aber der ganz überwiegend vertretenen Auffassung an, nach der eine Klage, die mit dem Ziel erhoben wird, dass das Finanzamt dem Begehren auf Durchführung einer Erörterung gem. § 364a AO entspricht, mit dem Zweck der Vorschrift, den Abschluss des Einspruchsverfahrens zu beschleunigen und damit zugleich Streitfälle vom FG fernzuhalten, nicht vereinbar wäre und deshalb unzulässig ist.

Dabei kann unbeantwortet bleiben, ob diese Ansicht auf eine analoge Anwendung des § 44a VwGO gestützt werden könnte, nach dem Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können. Jedenfalls enthält § 44a VwGO eine Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes, nach dem Verfahrenshandlungen nicht selbständig angefochten werden können, solange das Verwaltungsverfahren noch nicht abgeschlossen und deshalb noch offen ist, ob der Betroffene durch das Verfahrensergebnis in seinen Rechten verletzt werden wird.

Einer gleichwohl erhobenen Klage fehlt mithin das Rechtsschutzinteresse. Hiergegen lässt sich nicht einwenden, dass der Einspruchsführer schutzlos gestellt würde. Denn die fehlende Anfechtungsmöglichkeit lässt unberührt, dass entweder das FG im Rahmen einer Klage gegen den Steuerbescheid gem. § 100 Abs. 3 S. 1 FGO nur die Einspruchsentscheidung zum Zwecke der weiteren Sachaufklärung durch die Behörde aufheben oder der Kläger isoliert nur die Einspruchsentscheidung anfechten kann, sofern er hierfür ein berechtigtes Interesse hat.

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