05.12.2013

Zum Kindergeldanspruch von Ortskräften einer Deutschen Botschaft in der Dominikanischen Republik

Der völkerrechtliche Ansässigkeitsbegriff stellt auf den Aufenthaltsgrund ab, nämlich darauf, ob der Wohnsitz ausschließlich wegen der (vielfach mehrjährigen) Entsendung begründet wurde. Daran fehlt es aber sog. Ortskräften - deutschen Staatsangehörigen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt haben und Arbeitslohn für die Beschäftigung in einer im Drittland (hier: Dominikanische Republik) liegenden Deutschen Botschaft vom Auswärtigen Amt beziehen - die bereits längere Zeit vor der Entsendung im Ausland ihren Wohnsitz hatten und ihn nicht wegen einer Entsendung begründet haben.

BFH 19.9.2013, V R 9/12
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und Mutter zweier in ihrem Haushalt lebender Kinder. Sie war von Juni 2003 bis März 2009 als sog. Ortskraft bei der Deutschen Botschaft in der Dominikanischen Republik beschäftigt. Ihre Dienstbezüge wurden von der Besoldungsstelle des Auswärtigen Amtes auf ihr in Deutschland geführtes Bankkonto überwiesen, wobei Lohnsteuer an ein deutsches Finanzamt und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden. Für 2004 und 2005 wurde sie nach einer telefonischen Auskunft der Finanzbehörde nach § 1 Abs. 3 EStG zur Einkommensteuer veranlagt, während für 2003 und 2006 nur Lohnsteuer abgeführt wurde.

Die Familienkasse lehnte den im Mai 2007 gestellten Antrag auf Kindergeld mit der Begründung ab, die Kinder hätten weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt innerhalb der EU und auch nicht in einem Staat, für das das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum gelte. Die Klägerin sei auch nicht nach § 1 Abs. 2 EStG unbeschränkt steuerpflichtig, weil das Finanzamt die Klägerin nach § 1 Abs. 3 EStG für zwei Jahre zur Einkommensteuer veranlagt habe.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage auf rückwirkende Gewährung von Kindergeld ab Juni 2003 teilweise statt. Es verpflichtete die Familienkasse, über den Kindergeldantrag erneut zu entscheiden und weitere Feststellungen zum Bezugszeitraum zu prüfen. Auf die Revision der Familienkasse hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Das FG hat § 1 Abs. 2, § 62 Abs. 1 Nr. 2a EStG verletzt, indem es die beschränkte Steuerpflicht mit sachlicher Steuerfreiheit gleichsetzte. Es hat überdies keine hinreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die Klägerin in der Dominikanischen Republik der unbeschränkten Steuerpflicht unterlag und ob eine Sperrwirkung durch eine Veranlagung nach § 1 Abs. 3 EStG bestand.

Der Kindergeldanspruch setzt gem. § 1 Abs. 2 S. 2 EStG i.V.m. § 63 Abs. 1 S. 3, § 62 Abs. 1 Nr. 2a EStG voraus, dass die Person in dem Staat, in dem sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, "lediglich in einem der beschränkten Einkommensteuerpflicht ähnlichen Umfang zu einer Steuer vom Einkommen herangezogen" wird. Sinn und Zweck dieser Einschränkung ist es, den Auslandsbediensteten deutscher staatlicher Stellen die Vorteile der unbeschränkten Steuerpflicht für sich und ihre Haushaltsangehörigen zu erhalten, die sie nach ihrer Entsendung wegen des durch ihre berufliche Stellung bedingten fehlenden Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Inland nicht erlangen können, denn bei nur beschränkter Steuerpflicht werden die besonderen persönlichen Merkmale und die damit verbundenen Steuervorteile nicht berücksichtigt.

Das FG hatte das Fehlen der unbeschränkten Steuerpflicht in der Dominikanischen Republik allerdings unzutreffend aus dem Vorliegen einer sachlichen Steuerbefreiung (§ 299 EStG der Dominikanischen Republik) für Botschaftstätigkeit geschlossen. Der Bezug steuerfreier Einkünfte schließt eine unbeschränkte Steuerpflicht in der Dominikanischen Republik nicht aus. Dafür, dass die Klägerin in der Dominikanischen Republik unbeschränkt steuerpflichtig war, sprach auch der Umstand, dass nach der völkerrechtlich bindenden Regelung des WÜD die Steuerbefreiung nach Art. 34 und 37 WÜD für die Mitglieder des verwaltungs- und technischen Personals einer Mission und der zu ihrem Haushalt gehörenden Familienmitglieder nicht gilt, wenn der Botschaftsangehörige Angehöriger des Empfangsstaates oder in demselben ständig ansässig ist.

Der völkerrechtliche Ansässigkeitsbegriff stellt hierbei auf den Aufenthaltsgrund ab, nämlich darauf, ob der Wohnsitz ausschließlich wegen der (vielfach mehrjährigen) Entsendung begründet wurde. Daran fehlt es aber bei Ortskräften, die bereits längere Zeit vor der Entsendung im Ausland ihren Wohnsitz hatten und ihn nicht wegen einer Entsendung begründet haben. Dementsprechend geht auch Art. 39 WÜD regelmäßig davon aus, dass den Botschaftsangehörigen ihre Vorrechte von dem Zeitpunkt an zustehen, in dem sie in das Hoheitsgebiet des Empfangsstaates einreisen, um ihren Posten anzutreten, und auslaufen, wenn sie wieder ausreisen. "Ständig ansässig" - und damit grundsätzlich der ausländischen Einkommensteuer unterliegend - sind daher Botschaftsangehörige, wenn sie im Zeitpunkt ihrer Anstellung bereits längere Zeit im Empfangsstaat ihren Wohnsitz hatten.

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