03.02.2015

Zum Verlustausgleich im grenzübergreifenden Konzern

Die im Anschluss an das EuGH-Urteil "Marks & Spencer" vom 13.12.2005 erlassenen Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs, die einen grenzüberschreitenden Konzernabzug unter bestimmten Voraussetzungen zulassen, sind mit dem Unionsrecht vereinbar. Die EU-Kommission war der Ansicht, dass die Regelung gegen den Grundsatz der Niederlassungsfreiheit verstoße.

EuGH 3.2.2015, C-172/13
Der Sachverhalt:
Im Vereinigten Königreich können Konzerngesellschaften nach der Regelung über den Konzernabzug ihre Gewinne und Verluste untereinander verrechnen. Nach bis 2006 geltendem Recht war es jedoch nicht zulässig, dabei die Verluste gebietsfremder Gesellschaften zu berücksichtigen. Im Anschluss an das EuGH-Urteil vom 13.12.2005 (Rs.: C-446/03, "Marks & Spencer") wurden die Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs im Jahr 2006  geändert, um den grenzüberschreitenden Konzernabzug unter bestimmten Voraussetzungen zuzulassen.

Nach den Regelungen, die gegenwärtig im Corporation Tax Act 2010 (CTA 2010) enthalten sind, muss die gebietsfremde Gesellschaft die Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Verlusten im Steuerzeitraum, in dem die Verluste entstanden sind, und in den früheren Steuerzeiträumen ausgeschöpft haben. Außerdem darf keine Möglichkeit zur Berücksichtigung der Verluste in zukünftigen Steuerzeiträumen bestehen. Nach dem CTA 2010 ist die Feststellung, ob die Verluste in zukünftigen Steuerzeiträumen berücksichtigt werden können, unmittelbar nach Ende des Steuerzeitraums, in dem die Verluste entstanden sind, zu treffen.

Die EU-Kommission war der Ansicht, die Bestimmungen des CTA 2010 hätten zur Folge, dass es für eine gebietsansässige Muttergesellschaft so gut wie unmöglich ist, einen grenzüberschreitenden Konzernabzug vorzunehmen, da sie in der Praxis nur in zwei Fällen die Berücksichtigung solcher Verluste durch die gebietsansässige Muttergesellschaft zuließen, nämlich erstens, wenn die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sich der Sitz der betreffenden Tochtergesellschaft befinde, keine Möglichkeit zum Verlustvortrag vorsähen, und zweitens, wenn für die Tochtergesellschaft vor Ende des Steuerzeitraums, in dem die Verluste entstanden seien, ein Liquidationsverfahren eingeleitet werde.

Außerdem seien Verluste, die vor dem 1.4.2006 entstanden seien, vom grenzüberschreitenden Konzernabzug ausgeschlossen, da die diesen Abzug betreffenden Bestimmungen des CTA 2010 nur für Verluste gälten, die nach dem 1.4.2006, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Finance Act 2006, entstanden seien. Da diese Regelung nach Ansicht der EU-Kommission gegen den Grundsatz der Niederlassungsfreiheit verstößt, hat sie eine Vertragsverletzungsklage vor dem EuGH erhoben.

Der EuGH hat die Klage allerdings in vollem Umfang abgewiesen.

Die Gründe:
In dem Fall, dass die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sich der Sitz der betreffenden Tochtergesellschaft befindet, keine Möglichkeit des Verlustvortrags vorsehen, kann der Mitgliedstaat, in dem die Muttergesellschaft ihren Sitz hat, den grenzüberschreitenden Konzernabzug verweigern, ohne gegen die Niederlassungsfreiheit zu verstoßen. Hinsichtlich des zweiten Falls, dass die gebietsansässige Muttergesellschaft nach dem CTA 2010 nur dann einen grenzüberschreitenden Konzernabzug vornehmen könne, wenn für die gebietsfremde Tochtergesellschaft vor dem Ende des Steuerzeitraums, in dem die Verluste entstanden seien, ein Liquidationsverfahren eingeleitet werde, hatte die EU-Kommission ihr Vorbringen nicht ausreichend belegt. Der CTA 2010 verlangt nämlich keineswegs die Einleitung eines Liquidationsverfahrens für die betreffende Tochtergesellschaft vor dem Ende des Steuerzeitraums, in dem die Verluste entstanden sind.

Es bleibt zudem darauf hinzuweisen, dass nur dann festgestellt werden kann, dass die Verluste einer gebietsfremden Tochtergesellschaft endgültig i.S.d. EuGH-Urteils zu "Marks & Spencer" sind, wenn diese im Mitgliedstaat ihres Sitzes keine Einnahmen mehr erzielt. Denn solange die Tochtergesellschaft weiterhin - wenn auch minimale - Einnahmen erzielt, besteht noch die Möglichkeit, die Verluste mit den künftigen Gewinnen, die im Mitgliedstaat ihres Sitzes erzielt werden, zu verrechnen. Das Vereinigte Königreich hat unter Bezugnahme auf ein konkretes Beispiel einer gebietsansässigen Muttergesellschaft, die einen grenzüberschreitenden Konzernabzug vorgenommen hatte, bestätigt, dass die Endgültigkeit der Verluste einer gebietsfremden Tochtergesellschaft nachgewiesen werden kann, wenn diese Tochtergesellschaft unmittelbar nach Ende des Steuerzeitraums, in dem die Verluste entstanden sind, ihre Geschäftstätigkeit eingestellt hat und alle ihre Einnahmen erzielenden Vermögenswerte verkauft oder abgegeben hat.

Im Hinblick auf die Möglichkeit einer Gesellschaft, einen grenzüberschreitenden Konzernabzug für den Zeitraum vor dem 1.4.2006 vorzunehmen, war festzustellen, dass die EU-Kommission nicht nachgewiesen hatte, dass es Situationen gibt, in denen für Verluste vor diesem Zeitpunkt kein Konzernabzug gewährt wurde.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM v. 3.2.2015
Zurück