18.10.2012

Zur Aufrechnung von Umsatzsteuervergütungsansprüchen mit vorinsolvenzlichen Steuerschulden

Ein durch eine insolvenzfreie Tätigkeit erworbener Umsatzsteuervergütungsanspruch darf vom Finanzamt mit vorinsolvenzlichen Steuerschulden verrechnet werden. Dies gilt auch für Ansprüche, die der Schuldner nach Einstellung des Insolvenzverfahrens während der Wohlverhaltensphase erwirbt.

BFH 22.5.2012, VII R 58/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger war im Jahr 2005 in Insolvenz geraten. Nachdem das Insolvenzverfahren eingestellt worden war, der Kläger sich aber noch in der Wohlverhaltensphase zur Erlangung der Restschuldbefreiung befand, eröffnete er einen Gewerbebetrieb und erwarb einen Umsatzsteuervergütungsanspruch September 2006 i.H.v. rund 6.500 €. Das Finanzamt buchte diesen Betrag auf rückständige Einkommensteuer 1995 um und erließ hierüber einen Abrechnungsbescheid.

Der Kläger hielt die Aufrechnung für unwirksam. Er war der Ansicht, das Zwangsvollstreckungsverbot des § 294 Abs. 3 InsO stehe einer Aufrechnung entgegen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb eine Aufrechnung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens möglich sein sollte, die vor Eröffnung des Verfahrens anfechtbar und während des Verfahrens unzulässig gewesen wäre.

Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Die Gründe:
Der Umsatzsteuervergütungsanspruch des Klägers ist zum einen nicht unpfändbar und zum anderen nicht Gegenstand der Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 InsO. Ein allgemeines Aufrechnungsverbot während der Wohlverhaltensphase enthält die InsO nicht.

Nach der BFH-Entscheidung vom 1.9.2010 (Az.: VII R 35/08) darf ein durch eine insolvenzfreie Tätigkeit erworbener Umsatzsteuervergütungsanspruch vom Finanzamt mit vorinsolvenzlichen Steuerschulden verrechnet werden. Dies gilt auch für Ansprüche, die der Schuldner nach Einstellung des Insolvenzverfahrens während der Wohlverhaltensphase erwirbt. Die Tatsache, dass sich nach Maßgabe der Regelungen der InsO im Fall der Restschuldbefreiung die gegen den Schuldner gerichteten Forderungen in Obligationen verwandeln, also nicht mehr durchsetzbar sind, lässt nicht den Rückschluss zu, sie dürften vor Gewährung der Restschuldbefreiung nicht von Gläubigern, die - wie Aufrechnungsberechtigte - die Möglichkeit einer bevorzugten Befriedigung besitzen, nicht geltend gemacht werden.

Falsch war die Ansicht des Klägers, die vom Finanzamt aufgerechnete Forderung bzw. die insofern ausgenutzte Aufrechnungsmöglichkeit beruhe auf einer anfechtbaren Rechtshandlung und habe daher während des Insolvenzverfahrens dem Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unterlegen. Es ist insofern offensichtlich, dass die Anfechtungsvoraussetzungen der §§ 129 ff. InsO hinsichtlich Aufrechnungsmöglichkeiten nicht gegeben sein können, die durch erst nach Einstellung des Verfahrens vorgenommene Rechtshandlungen begründet werden.

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