08.12.2011

Zur Beendigung einer Organschaft bei Insolvenz

Die organisatorische Eingliederung einer Organgesellschaft endet, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zwar nicht in vollem Umfang auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen wird (§ 22 Abs. 1 InsO), aber faktisch für den gesamten noch verbleibenden operativen Geschäftsbereich übergeht. Hierbei ist anders als für die insolvenzrechtliche Abgrenzung zwischen Insolvenz- und Masseverbindlichkeiten, nicht allein auf die Abgrenzung starker/schwacher Insolvenzverwalter abzustellen.

BFH 24.8.2011, V R 53/09
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH, die im Immobilien- und Bauwesen tätig war. Am 13.5.2003 wurde er zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Verfügungen der GmbH über Gegenstände ihres Vermögens waren nur noch mit Zustimmung des Klägers wirksam. Mit ergänzendem Beschluss vom 20.5.2003 wurde der Kläger ermächtigt, zu Lasten der späteren Insolvenzmasse Masseverbindlichkeiten zu begründen und zu erfüllen, die für die Fertigstellung der letzten beiden Baustellen notwendig waren. Im Umfang dieser Rechtsgeschäfte wurde die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Kläger übertragen und der GmbH untersagt, Verbindlichkeiten zu begründen und zu erfüllen.

Das FG stellte im folgenden Verfahren fest, dass die GmbH seit Februar 2003 Organgesellschaft einer GbR war. Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der GmbH vertrat das Finanzamt die Auffassung, durch Beschluss vom 20.5.2003 sei die Organschaft beendet gewesen, weil weitere Bauvorhaben nicht bestanden hätten und der Kläger somit zum sog. starken Insolvenzverwalter geworden sei. Es erließ eine entsprechend geänderte Berechnung über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Mai 2003 und meldete die Forderung zur Insolvenztabelle an. Der Bescheid umfasste u.a. Vorsteuerberichtigungen nach § 17 Abs. 2 UStG aus bis zum 31.1.2003 verwirklichten Leistungsbezügen der GmbH, von deren Uneinbringlichkeit das FG ausging. Nachdem der Kläger die Forderung bestritten hatte, stellte das Finanzamt diese durch Bescheid fest.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Die Feststellungen des FG ermöglichten keine Entscheidung darüber, ob für den Besteuerungszeitraum Mai 2003 noch weitere umsatzsteuerrechtlich relevante Vorgänge bei der GmbH zu erfassen, zur Tabelle anzumelden und im Falle des Bestreitens durch den Kläger durch Feststellungsbescheid festzustellen gewesen wären.

Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen/-verbindlichkeiten und Masseforderungen/-verbindlichkeiten richtet sich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Auf die steuerliche Entstehung der Forderung und deren Fälligkeit kommt es nicht an. Insolvenzforderungen sind nach § 251 Abs. 3 AO während eines Insolvenzverfahrens nicht durch Steuerbescheid festzusetzen, sondern durch Verwaltungsakt festzustellen. Masseforderungen können nicht zur Tabelle angemeldet und durch Feststellungsbescheid festgestellt werden, sondern sie müssen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter durch Steuerbescheid festgesetzt werden.

Hieraus folgt allerdings nicht, dass die wirksame Anmeldung einer nicht titulierten Umsatzsteuerforderung zur Insolvenztabelle erfordert, dass das Finanzamt die einzelnen umsatzsteuerrechtlich erheblichen Sachverhalte anführt und näher beschreibt. Meldet es - wie hier - nicht titulierte Umsatzsteuerforderungen in einer Summe zur Insolvenztabelle an, so ist die Anmeldung wirksam erfolgt, wenn durch den Inhalt der Anmeldung sichergestellt ist, dass nur bestimmte Sachverhalte erfasst sind, die zur Verwirklichung der gesetzlichen Tatbestände des UStG geführt haben. Das ist bei einer durch Betrag und Zeitraum bezeichneten Umsatzsteuerforderung regelmäßig der Fall.

Der Senat konnte allerdings nicht entscheiden, ob die im Feststellungsbescheid festgestellten Forderungen den tatsächlich für Mai 2003 festzustellenden Forderungen entsprachen. Für den Fall, dass keine Organschaft zwischen der GbR und der GmbH bestand, könnten neben den Vorsteuerberichtigungsansprüchen weitere umsatzsteuerrechtlich relevante Vorgänge aus dem Zeitraum vom 1. bis 31.5.2003 zu berücksichtigen sein. Sollte demgegenüber zunächst eine Organschaft bestanden haben, diese aber am 20.5.2003 beendet worden sein, wären möglicherweise umsatzsteuerrechtlich relevante Vorgänge für den Zeitraum 20. bis 31.5.2003 zu berücksichtigen.

Bei seiner erneuten Entscheidung wird das FG u.a. zu berücksichtigen haben, dass das Vorliegen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft im vorliegenden Fall zweifelhaft ist. Die organisatorische Eingliederung einer Organgesellschaft endet, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zwar nicht in vollem Umfang auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen wird (§ 22 Abs. 1 InsO), aber faktisch für den gesamten noch verbleibenden operativen Geschäftsbereich übergeht. Hierbei ist anders als für die insolvenzrechtliche Abgrenzung zwischen Insolvenz- und Masseverbindlichkeiten, nicht allein auf die Abgrenzung starker/schwacher Insolvenzverwalter abzustellen.

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