12.07.2012

Zur Bestimmung von "offensichtlich verkehrsgünstigeren" Wegstrecken i.V.m. Fährverbindungen

Bei der Bestimmung der kürzesten Straßenverbindung nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 4 EStG ist zwar grundsätzlich auch eine Fährverbindung einzubeziehen. Die Besonderheiten einer solchen Fährverbindung wie Wartezeiten, technische Schwierigkeiten oder Auswirkungen der Witterungsbedingungen können allerdings dazu führen, dass eine andere Straßenverbindung als "offensichtlich verkehrsgünstiger" anzusehen ist als die kürzeste Straßenverbindung.

BFH 19.4.2012, VI R 53/11
Der Sachverhalt:
In seiner Einkommensteuererklärung für 2007 hatte der Kläger bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte geltend gemacht. Die einfache Wegstrecke zu seinem Arbeitsplatz setzte er mit 52 km an. Zwar hätte der Kläger mittels einer Fährverbindung auch einen kürzeren Weg wählen können, doch war ihm dieser nicht verlässlich genug. Das Finanzamt setzte für die Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte die kürzere Strecke von 25 km an.

Das FG wies die hiergegen erhobene Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Das FG war zu Unrecht davon ausgegangen, eine Straßenverbindung sei nur dann als "offensichtlich verkehrsgünstiger" i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG anzusehen, wenn eine Zeitersparnis von mindestens 20 Minuten erzielt werde. Zudem hatte das FG, ausgehend von seiner abweichenden Rechtsauffassung, den vom Kläger vorgetragenen Umstand der mangelnden Verlässlichkeit der Fährverbindung nicht berücksichtigt.

Für die Bestimmung der Entfernung ist die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte maßgebend; eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt wird. Konkrete zeitliche Vorgaben müssen insoweit nicht erfüllt sein. Insbesondere kann nicht in jedem Fall eine Zeitersparnis von 20 Minuten gefordert werden. Die Frage, ob eine Straßenverbindung als "offensichtlich verkehrsgünstiger" als die kürzeste Route angesehen werden kann, ist vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen.

Da das Merkmal der Verkehrsgünstigkeit auch andere Umstände als eine Zeitersparnis beinhaltet, kann eine Straßenverbindung auch dann "offensichtlich verkehrsgünstiger" sein als die kürzeste Verbindung, wenn sich dies aus Besonderheiten einer im Rahmen der kürzesten Straßenverbindung zu nutzenden Fährverbindung wie langen Wartezeiten, häufig auftretenden technischen Schwierigkeiten oder Auswirkungen der Witterungsbedingungen auf den Fährbetrieb ergibt. Führen solche Umstände dazu, dass sich der Steuerpflichtige auf den Fährbetrieb im Rahmen der Planung von Arbeitszeiten und Terminen nicht hinreichend verlassen kann, so ist dies im Rahmen der Beurteilung der Verkehrsgünstigkeit einer Straßenverbindung zu berücksichtigen.

Erweist sich eine vom Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzte Straßenverbindung nicht als "offensichtlich verkehrsgünstiger" als die kürzeste Verbindung, so können Kosten für die Fähre nicht als Werbungskosten angesetzt werden, wenn der Steuerpflichtige die Fährverbindung tatsächlich nicht genutzt hat. Die unterschiedliche Behandlung eines Steuerpflichtigen, der die vom Gesetzgeber zum Abzug zugelassenen Aufwendungen für die kürzeste Straßenverbindung einschließlich tatsächlich angefallener Fährkosten geltend macht, gegenüber einem Steuerpflichtigen, der eine andere nicht "offensichtlich verkehrsgünstigere" Verbindung gewählt hat, folgt unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung, die der Berechnung der als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen die kürzeste Verbindung zugrunde legt.

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