04.08.2022

Zur Frage des Übergangs wirtschaftlichen Eigentums durch Einräumung von Filmverwertungsrechten

Einem Nutzungsberechtigten kann nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO ausnahmsweise das wirtschaftliche Eigentum an Filmrechten zuzurechnen sein. Dies kommt allerdings nur in Betracht, wenn der zivilrechtliche Eigentümer infolge der vertraglichen Vereinbarungen während der gesamten voraussichtlichen Nutzungsdauer der Filmrechte von deren Substanz und Ertrag wirtschaftlich ausgeschlossen ist. Hieran fehlt es z.B., wenn der zivilrechtliche Eigentümer durch erfolgsabhängige Vergütungen während der gesamten Vertragslaufzeit weiterhin an Wertsteigerungen der Filmrechte beteiligt ist.

Die für Leasingverträge entwickelten Grundsätze zur Zurechnung wirtschaftlichen Eigentums können nicht uneingeschränkt auf die Nutzungsüberlassung von Filmrechten übertragen werden. Dies folgt insbesondere daraus, dass eine hinlänglich verlässliche Einschätzung der Wertentwicklung von Filmrechten im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertriebsvertrags regelmäßig nicht möglich ist.

Kurzbesprechung
BFH v. 14.4.2022 - IV R 32/19

AO § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1
EStG § 5 Abs. 1
HGB § 240, § 242, § 246, § 252
GewStG § 7
FGO § 76
UrhG § 94


Im Streitfall ging es um die steuerliche Behandlung eines Filmvertriebsvertrags. Die Steuerpflichtige (eine GmbH u. Co KG) erwarb im November 2006 zunächst die Stoffrechte an einem Film und beauftragte eine Produktionsdienstleisterin mit der Herstellung des Films. Nach dem Vertrag war die Steuerpflichtige alleinige und ausschließliche Eigentümerin aller Rechte an dem Film. Zur Realisierung des Projekts wurden weitere Verträge geschlossen, u.a. im Dezember 2006 ein sog. Filmvertriebsvertrag, mit dem die Steuerpflichtige als Eigentümerin und Lizenzgeberin der F mit Sitz in G/Niederlande als Lizenznehmerin die Verwertungsrechte an dem Film übertrug. Parallel hierzu verpflichtete sich die J-AG im Rahmen eines Schuldübernahmevertrags zur Zahlung der zwischen der Steuerpflichtigen und F vereinbarten Lizenzgebühren (A- und B-Rate) sowie eines eventuellen Kauf- oder Verkaufsoptionspreises bzw. eines Darlehensbetrags nach Maßgabe der entsprechenden Regelungen des Filmvertriebsvertrags.

Das FA vertrat die Auffassung, die Filmvertriebsvereinbarung habe zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den Filmrechten auf F geführt. Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der eingelegten Klage statt. Auch der BFH folgte dem FG und wies die vom FA eingelegte Revision als unbegründet zurück.

Die Aktivierung von Forderungen richtet sich bei buchführenden Gewerbetreibenden wie der Steuerpflichtigen nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG). Ein aufgrund einer entsprechenden Aktivierung erhöhter Gewinn wäre auch als Gewerbeertrag zu behandeln (§ 7 GewStG).

Ein Gewinn ist danach realisiert, wenn der Leistungsverpflichtete die vereinbarte Leistung "wirtschaftlich erfüllt" hat und ihm die Forderung auf die Gegenleistung ‑‑von den mit jeder Forderung verbundenen Risiken abgesehen‑‑ so gut wie sicher ist. Ohne Bedeutung für die Gewinnrealisierung ist, ob am Bilanzstichtag die Rechnung bereits erteilt ist, ob die geltend gemachten Ansprüche noch abgerechnet werden müssen oder ob die Forderung erst nach dem Bilanzstichtag fällig wird. Hingegen sind aufschiebend bedingte Ansprüche grundsätzlich nicht zu aktivieren, da sie nach § 158 Abs. 1 BGB erst mit Eintritt der Bedingung entstehen.

Für die Frage, ob und wenn ja in welchem Umfang der Leistungsverpflichtete seine Leistung erbracht hat und ihm der Anspruch auf die Gegenleistung so gut wie sicher ist, kommt es darauf an, zu welcher Leistung der Leistungsverpflichtete überhaupt verpflichtet ist.

Die Steuerpflichtige war als Herstellerin des Films zivilrechtliche Eigentümerin der Filmverwertungsrechte. Aus Sicht des deutschen Rechts war sie Inhaberin des Leistungsschutzrechts gemäß § 94 Abs. 1 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG), das ein immaterielles Wirtschaftsgut darstellt und nach Maßgabe des § 94 Abs. 2 UrhG übertragbar ist.

Übt ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm das Wirtschaftsgut zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO). Ein schuldrechtlich oder dinglich Nutzungsberechtigter hat in der Regel kein wirtschaftliches Eigentum an dem ihm zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgut. Etwas anderes kann gelten, wenn der Nutzungsberechtigte statt des Eigentümers die Kosten der Anschaffung oder Herstellung eines von ihm selbst genutzten Wirtschaftsguts trägt und ihm auf Dauer, nämlich für die voraussichtliche Nutzungsdauer, Substanz und Ertrag des Wirtschaftsguts wirtschaftlich zustehen.

Darüber hinaus kommt auch bei entgeltlichen Nutzungsüberlassungen, bei denen das Gesamtentgelt die vom Eigentümer getragenen Anschaffungs- und Herstellungskosten abdeckt, eine vom Eigentum abweichende wirtschaftliche Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO beim Nutzungsberechtigten in Betracht, wenn sich die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Gegenstands und die Grundmietzeit annähernd decken oder zwar die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer erheblich länger als die Grundmietzeit ist, jedoch dem Nutzungsberechtigten ein Recht auf Verlängerung oder Kauf zusteht und bei Ausübung der Option nur ein geringer Mietzins oder Kaufpreis zu entrichten ist, d.h. bei wirtschaftlich vernünftiger Entscheidungsfindung mit der Ausübung des Rechts zu rechnen ist.

Die vorstehenden allgemeinen Grundsätze gelten auch für die Nutzungsüberlassung von Filmrechten, allerdings sind die hier bestehenden Besonderheiten zu beachten. Diese schließen es aus, die für Leasingverträge entwickelten Grundsätze uneingeschränkt auf die Nutzungsüberlassung von Filmrechten zu übertragen, selbst wenn die Gestaltungs- und Verwertungskonzepte deutliche Ähnlichkeiten aufweisen können.

Besonderheiten ergeben sich nicht nur daraus, dass es sich bei Filmrechten um immaterielle Wirtschaftsgüter handelt, die ‑‑anders als materielle Wirtschaftsgüter‑‑ einer Unterscheidung in bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter nicht zugänglich sind. Vielmehr ist auch zu beachten, dass keine hinlänglich verlässliche ex ante-Einschätzung der Wertentwicklung von Filmrechten möglich ist. Denn im Zeitpunkt des Abschlusses des Filmvertriebsvertrags ist für die Vertragsbeteiligten regelmäßig nicht absehbar, ob der vertragsgegenständliche Film erfolgreich sein wird. Danach kann dem Nutzungsberechtigten nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO zwar ausnahmsweise das wirtschaftliche Eigentum an Filmrechten zuzurechnen sein. Dies kommt allerdings nur in Betracht, wenn der zivilrechtliche Eigentümer infolge der vertraglichen Vereinbarungen während der gesamten voraussichtlichen Nutzungsdauer der Filmrechte von deren Substanz und Ertrag wirtschaftlich ausgeschlossen ist. Hieran fehlt es z.B., wenn der zivilrechtliche Eigentümer durch erfolgsabhängige Vergütungen während der gesamten Vertragslaufzeit weiterhin von Wertsteigerungen der Filmrechte profitiert.

Im Streitfall konnte das FG annehmen, dass die Steuerpflichtige auf der Grundlage des Filmvertriebsvertrags nicht für die gesamte betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Filmrechte wirtschaftlich aus ihrer Stellung als Eigentümerin verdrängt worden war. Denn allein die ungewöhnlich lange Laufzeit des Filmvertriebsvertrags bewirkt keinen Übergang wirtschaftlichen Eigentums. Eine sich mit Ablauf der Vertragslaufzeit ergebende Wertlosigkeit der Filmrechte kann in Anbetracht der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer der Filmrechte von 50 Jahren auch bei einer Vertragslaufzeit von 42 Jahren nicht angenommen werden. Dass das Nutzungspotential von Filmrechten regelmäßig in den ersten Jahren überproportional hoch ist, kann ebenfalls nicht begründen, dass der Wert des Filmrechts am Ende der Vertragslaufzeit verbraucht ist.

Die Würdigung des FG, wonach die Verwertung der Filmrechte während der Vertragslaufzeit nicht unter Ausschluss der Steuerpflichtigen erfolgen kann, war revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Entsprechendes gilt für die Auffassung des FG, die zwischen den Beteiligten vereinbarte Darlehensoption könne keinen Übergang wirtschaftlichen Eigentums begründen.

Auch die Entscheidung des FG, der im Fall der Ausübung der Darlehensoption an die Steuerpflichtige zu zahlende Darlehensbetrag habe nicht den Charakter einer Schlusszahlung, die als weitere ‑‑bereits mit der Nutzungsüberlassung verdiente‑‑ Gegenleistung der F für die ihr während der Laufzeit des Filmvertriebsvertrags eingeräumten Nutzungsrechte anzusehen und linearisiert zu aktivieren sei, hielt einer revisionsrechtlichen Prüfung stand. Dies galt auch für die weitere Würdigung des FG, der Anspruch aus der Darlehensoption sei am Bilanzstichtag noch nicht hinreichend sicher.

Verlag Dr. Otto Schmidt
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