20.06.2012

Zur Gemeinnützigkeit eines islamischen Vereins trotz Erwähnung in Verfassungsschutzbericht

Als Anhaltspunkt, dass eine Körperschaft (hier: ein islamisch-salafistischer Verein) im Rahmen ihrer tatsächlichen Geschäftsführung gegen die Wertordnung des GG verstößt, kommt zwar ihre Erwähnung in einem Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes in Betracht. Die Vermutung des § 51 Abs. 3 S. 2 AO i.d.F. des JStG 2009 setzt allerdings voraus, dass die betreffende Körperschaft in dem jeweiligen Verfassungsschutzbericht für den zu beurteilenden Veranlagungszeitraum ausdrücklich als extremistisch eingestuft wird.

BFH 11.4.2012, I R 11/11
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ein seit 1995 im Vereinsregister eingetragener islamisch-salafistischer Verein, der eine Moschee betreibt. Nach seiner Satzung hat der Kläger den Zweck der Förderung der Religion und Kultur, der Hilfe für religiös Verfolgte und Flüchtlinge und der Volks- und Berufsbildung.

Das Finanzamt hatte dem Verein für das Jahr 2008 die Gemeinnützigkeit aberkannt, weil er in einem Landesverfassungsschutzbericht für jenes Jahr wegen Einbindung in demokratiefeindliche salafistische Netzwerke erwähnt worden war. Es stützte sich dabei auf eine im Jahr 2009 eingeführte gesetzliche Vermutung, nach der bei Körperschaften, die in einem Bundes- oder Landesverfassungsschutzbericht "als extremistische Organisation aufgeführt" sind, davon auszugehen ist, dass sie die Gemeinnützigkeitsvoraussetzungen nicht erfüllen.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt und hob den Körperschaftsteuerbescheid auf. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Die Annahme des FG, der Kläger sei für das Streitjahr gem. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 2002 von der Körperschaftsteuer befreit, war revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Der Kläger betrieb im Streitjahr nach seiner Satzung und nach seiner tatsächlichen Geschäftsführung die Förderung der Religion i.S.v.  § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO a.F. und verfolgte damit grundsätzlich einen gemeinnützigen Zweck. Dass die Körperschaft im Rahmen ihrer tatsächlichen Geschäftsführung nicht gegen die Wertordnung des GG verstößt, ist eine negative Tatsache, die von der Körperschaft nur dann darzutun ist, wenn die Finanzbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vorträgt, dass das nicht der Fall ist.

Als ein solcher Anhaltspunkt kommt zwar die Erwähnung der Körperschaft in einem Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes in Betracht. Die (widerlegbare) Vermutung des § 51 Abs. 3 S. 2 AO i.d.F. des JStG 2009 setzt allerdings voraus, dass die betreffende Körperschaft im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes für den zu beurteilenden Veranlagungszeitraum ausdrücklich als extremistisch eingestuft wird, was hier nicht der Fall war. Konkrete Belege für extremistische Aktivitäten des Vereins im Jahr 2008 konnte das Finanzgericht nicht feststellen, so dass für jenen Veranlagungszeitraum keine Grundlage für einen Entzug der Gemeinnützigkeit bestand.

Soweit das Finanzamt noch nachgetragen hatte, der Kläger werde in dem Verfassungsschutzbericht eines Bundeslandes für das Jahr 2010 ausdrücklich als "extremistische Bestrebung" bezeichnet, war das zum einen als neues tatsächliches Vorbringen in der Revisionsinstanz unbeachtlich. Zum anderen war nicht ersichtlich, inwiefern sich diese Beurteilung bereits auf Verhaltensweisen des Klägers aus dem Streitjahr 2008 stützte.

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BFH PM Nr. 47 vom 20.6.2012
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