27.08.2012

Zur Korrektur nach dem Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs bei fehlerhafter Aktivierung eines abnutzbaren Wirtschaftsguts des Anlagevermögens

Wurden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines abnutzbaren Wirtschaftsguts des Anlagevermögens in einem bestandskräftig veranlagten Jahr nur unvollständig aktiviert, führt der Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs zu einer erfolgswirksamen Nachaktivierung im ersten verfahrensrechtlich noch offenen Jahr. Die BFH-Rechtsprechung zur Korrektur überhöhter AfA-Sätze ist in solchen Fällen nicht einschlägig.

BFH 9.5.2012, X R 38/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger betrieb bis Februar 2000 einen Einzelhandel mit Spielwaren, bestehend aus zwei Teilbetrieben. Seine Einkünfte ermittelte er durch Bestandsvergleich nach § 5 Abs. 1 i.V.m. § 4 EStG. Die Filiale in A. betrieb der Kläger in angemieteten Räumen, die er im Jahr 1998 umbaute. Zuvor hatte er sich gegenüber der Stadt zur Ablösung von Kfz-Stellplätzen verpflichtet. Der Kläger zahlte einen Ablösungsbetrag von 49.950 DM. Bei der Schlussabnahme wurde festgestellt, dass er die Räumlichkeiten bereits nutzte.

Den Ablösungsbetrag passivierte der Kläger im Jahresabschluss zum 31.12.1998 als kurzfristige sonstige Verbindlichkeit, wobei er als Gegenkonto "sonstige Aufwendungen" buchte. Im März 2000 veräußerte er den Teilbetrieb an seinen Sohn. In der Einkommensteuererklärung 2000 gab der Kläger in der Anlage GSE Verluste aus Gewerbebetrieb und einen Veräußerungsgewinn an. Den Veräußerungsgewinn ermittelte er durch Gegenüberstellung des Kaufpreises mit den Buchwerten der übertragenen Wirtschaftsgüter, einschließlich der Mietereinbauten aus dem Bauvorhaben 1998. Er beantragte die Berücksichtigung eines Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG und im Übrigen für den Veräußerungsgewinn die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 EStG.

Nach einer Außenprüfung vertrat das Finanzamt unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 6.5.2003 (IX R 51/00) die Auffassung, dass der Ablösungsbetrag zu den Herstellungskosten der Mietereinbauten gehöre und deshalb kein "sofort abziehbarer Aufwand" sei. Die Behörde gelangte zu einem geminderten Veräußerungsgewinn und zu einer entsprechenden Erhöhung des laufenden Ergebnisses des Jahres 2000.

Die hiergegen gerichtete Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Die Gründe:
Der Ablösungsbetrag war als Herstellungskosten der Mietereinbauten zu berücksichtigen, weswegen der laufende Gewinn aus Gewerbebetrieb von Januar bis Ende Februar 2000 zu erhöhen und der Veräußerungsgewinn entsprechend zu mindern war.

Der begünstigte Veräußerungsgewinn ist vom laufenden Gewinn des Gesamtbetriebs abzugrenzen, ohne dass bei einer Teilbetriebsveräußerung eine Schlussbilanz aufzustellen ist. Der Veräußerungsgewinn ist - ggf. im Rahmen einer Schätzung - unter Berücksichtigung der Grundsätze der §§ 4 und 5 EStG zu ermitteln. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war im vorliegenden Fall der Ablösungsbetrag im Jahr 1998 als Teil der Herstellungskosten der Mietereinbauten zu aktivieren, da der Ablösungsbetrag für die Kfz-Stellplätze im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit den Baumaßnahmen am Mietgrundstück stand.

Zwar war eine Aktivierung des Ablösungsbetrags weder zum 31.12.1998 noch zum 31.12.1999 möglich, da für beide Jahre bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war. Wurden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines abnutzbaren Wirtschaftsguts des Anlagevermögens in einem bestandskräftig veranlagten Jahr nur unvollständig aktiviert, führt der Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs allerdings zu einer erfolgswirksamen Nachaktivierung im ersten verfahrensrechtlich noch offenen Jahr. Für den Streitfall, in dem der Ablösungsbetrag im Jahr 1998 fehlerhaft als Betriebsausgabe abgezogen worden war, bedeutete dies, dass der fiktive Restbuchwert des Wirtschaftsguts (hier: Mietereinbauten einschließlich des Ablösungsbetrags unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich abziehbaren AfA) bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns anzusetzen war, so wie er im Rahmen einer Schlussbilanz anzusetzen wäre.

Da es sich um eine fehlerhafte Aktivierung eines Wirtschaftsguts handelte, war die BFH-Rechtsprechung zur Korrektur überhöhter AfA-Sätze nicht einschlägig, nach der bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens die Berichtigung eines Bilanzwertes dann nicht geboten ist, wenn sich der Fehler in den folgenden Jahren durch Ansatz des zutreffenden AfA-Satzes von selbst aufhebt und der richtige Totalgewinn gewährleistet ist. Der erkennende Senat sah keine Notwendigkeit, über diese - eng begrenzte - Rechtsprechung hinaus weitere Ausnahmen vom Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs zuzulassen.

Linkhinweis:

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