19.11.2012

Zur Missbräuchlichkeit eines Antrags auf getrennte Veranlagung

Das Wahlrecht von Ehegatten auf Zusammenveranlagung oder getrennte Veranlagung kann unbefristet und ohne Bindung an die gewählte Lohnsteuerklasse ausgeübt werden. Die erstmalige Wahl der getrennten Veranlagung nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Ehegatten, obwohl die Lohnversteuerung anhand der Lohnsteuerklassenkombination III/V erfolgte, ist nicht wegen eines Gestaltungsmissbrauchs unwirksam, wenn zum Zeitpunkt der Wahl der Lohnsteuerklassen die Insolvenz noch nicht absehbar war.

FG Münster 4.10.2012, 6 K 3016/10 E
Der Sachverhalt:
Streitig ist, ob der Antrag der Kläger auf eine getrennte Einkommensteuerveranlagung rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 42 AO ist. Die Kläger sind seit 1986 verheiratet. Soweit ersichtlich wurden sie seither zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Lohnsteuerabzug der Kläger wurde nach den von ihnen vor etwa 20 Jahren gewählten Lohnsteuerklassen III und V vorgenommen.

Nachdem über das Vermögen des Ehemannes das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, beantragten sie mit Abgabe ihrer Einkommensteuererklärung eine getrennte Veranlagung. Das Finanzamt hielt diesen Antrag für eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung (§ 42 AO) und führte eine Zusammenveranlagung durch.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Die Wahl der getrennten Veranlagung in der Einkommensteuer-Erklärung 2006 war nicht rechtsmissbräuchlich.

Das Recht von Eheleuten, die getrennte Veranlagung zu wählen, wird weder durch den Wortlaut des § 26 EStG noch durch die Regelungen in § 26a und § 26b EStG beschränkt. Seine Ausübung ist an keine Frist gebunden. Die Eheleute sind an eine einmal getroffene Wahl nicht gebunden. Gleiches gilt für die Wahl einer LSt-Klasse. Zwar liegt der Wahl der Steuerklasse III und V ersichtlich die Annahme zugrunde, dass die Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, gleichwohl können sie in der Jahressteuerveranlagung anstelle der Zusammenveranlagung die getrennte Veranlagung wählen. Dem Gesetz lässt sich eine Einschränkung dieses Wahlrechts Klasse nicht entnehmen.

Die Wahl der getrennten Veranlagung ist im Streitfall auch nicht rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 42 AO und damit unbeachtlich. Grundsätzlich ist es nicht zu beanstanden, wenn ein Steuerpflichtiger von einzelnen im Steuergesetz vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch macht. Ein Missbrauch ist nur dann anzunehmen, wenn Wahlrechte wiederholt in widersprüchlicher Weise mit dem Ziel, die Durchsetzung der festgesetzten Steuer zeitweilig oder dauerhaft zu vereiteln, ausgeübt werden.

Ein derartiger Gesamtplan konnte vorliegend jedoch nicht festgestellt werden. Es ist davon auszugehen, dass auch außersteuerlicher Gründe für die Wahl der getrennten Veranlagung bestanden. So wird hieraus erkennbar, dass die Klägerin ihre Vermögensverhältnisse von jenen ihres insolventen Ehemannes getrennt wissen wollte. Dies ist insbes. vor dem Hintergrund, dass die Klägerin im Streitjahr drei minderjährige Kinder zu versorgen hatten, nachvollziehbar. Es ist zudem nicht festzustellen, dass die Klägerin durch die mehrfache, einander wiedersprechende Ausübung von Wahlrechten, das Ziel verfolgt haben, die Durchsetzung der festgesetzten Steuer zeitweilig oder dauerhaft zu vereiteln. Vielmehr haben die Kläger ihr Wahlrecht hinsichtlich der LSt-Klassen-Kombination III/V bereits vor vielen Jahren im Nachgang zur Heirat getroffen.

Linkhinweis:

FG Münster NL vom 15.11.2012
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