11.08.2022

Zur Prüfung einer Gewinnerzielungsabsicht im Rahmen des § 17 EStG

Eine Gewinnerzielungsabsicht ist im Rahmen des § 17 EStG nicht anhand jedes einzelnen Anteils, sondern einheitlich für alle veräußerten Anteile zu prüfen, wobei der Anteilserwerb durch Kapitalerhöhung unter Aufgeldzahlung nicht grundsätzlich einen Gestaltungsmissbrauch darstellt.

FG Düsseldorf v. 21.6.2022, 13 K 1149/20 E
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war ursprünglich Alleingesellschafterin der am 13.11.2015 gegründeten A GmbH, deren Gegenstand der Ankauf und die Verwaltung von Bestandsimmobilien ist. Das Stammkapital betrug bei Gründung 25.000 € und war eingeteilt in 25.000 Geschäftsanteile im Nennbetrag von jeweils 1 € (lfd. Nr. 1 bis 25.000).

Mitte Dezember des Streitjahres 2015 hatte die Klägerin eine Kapitalerhöhung beschlossen und zur Durchführung einen neuen Geschäftsanteil mit der lfd. Nr. 25.001 (Neuanteil) im Nennbetrag von 1.000 € geschaffen. Neben der Einlage i.H.v. 1.000 €, zahlte die Klägerin gemäß Punkt 3 des Kapitalerhöhungsbeschlusses, ein Aufgeld i.H.v. 500.000 € in die Kapitalrücklage der GmbH ein. Kurz darauf veräußerte die Klägerin die Geschäftsanteile mit den lfd. Nr. 24.701 bis 25.001 (veräußerte Beteiligung) zu einem Kaufpreis i.H.v. 26.300 € an den Kläger, ihren Ehemann, mit dem sie zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wird.

Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger einen Veräußerungsverlust nach § 17 EStG i.H.v. - 285.000 € geltend. Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer auf 0 € fest. Abweichend von der Steuererklärung berücksichtigte die Behörde - unter Verneinung einer Gewinnerzielungsabsicht bezüglich des Neuanteils - einen Gewinn aus der Veräußerung der Anteile mit den lfd. Nr. 24.701 bis 25.000 (veräußerte Altanteile) i.H.v. 5.770 €.

Die Kläger waren der Ansicht, dass der erklärte Veräußerungsverlust anzuerkennen sei, da die veräußerten Anteile insgesamt mit Gewinnerzielungsabsicht erworben und gehalten worden seien. Im Rahmen des § 17 EStG sei das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht einheitlich für die gesamte veräußerte Beteiligung und nicht hinsichtlich jedes einzelnen veräußerten Anteils zu prüfen. Hierfür spreche bereits der Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG, der bei der Formulierung "unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 Prozent beteiligt" ausdrücklich auf die Beteiligung als Prüfungsgegenstand abstelle.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Allerdings wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Zu Unrecht hat das FA den von den Klägern geltend gemachten Veräußerungsverlust i.H.v. - 285.000 € im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 17, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c, § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nicht berücksichtigt.

De Anerkennung des von den Klägern geltend gemachten Veräußerungsverlustes war nicht wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht hinsichtlich des Neuanteils zu versagen. Denn der veräußerte Teil der Beteiligung, bestehend aus den veräußerten Altanteilen und dem Neuanteil, wurde von der Klägerin, die im Zeitpunkt der Veräußerung alle Geschäftsanteile an der GmbH hielt, mit der Absicht Gewinne zu erzielen erworben und gehalten. Objektiv bestand hinsichtlich der von der Klägerin gehaltenen und nunmehr veräußerten Anteile insgesamt eine positive Erfolgsprognose. Bei einer periodenübergreifenden Betrachtung ist unter Berücksichtigung der geplanten Immobilieninvestments - in Bezug auf die Altanteile zwischen den Beteiligten unstreitig - von der Erzielung eines Totalgewinns auszugehen. Aufgrund der einheitlichen Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht für die gesamte veräußerte Beteiligung, teilt der Neuanteil das Schicksal der Altanteile. Bei einer positiven objektiven Erfolgsprognose wird bei Einkünften nach § 17 EStG die Gewinnerzielungsabsicht regelmäßig vermutet.

Der geltend gemachte Veräußerungsverlust ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG ist der Veräußerungsgewinn i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Anschaffungskosten umfassen grundsätzlich alles, was der Erwerber aufgewendet hat, um das Wirtschaftsgut - vorliegend die Anteile - zu erlangen. Werden Anteile - wie vorliegend - durch Gründung einer Kapitalgesellschaft erworben, ist Anschaffungspreis die Einlageverpflichtung (Nennwert bei Bareinlage).

Darüber hinaus ist ein Aufgeld, das ein Erwerber neuer Geschäftsanteile aufgrund der getroffenen Einlagevereinbarung über den Nennbetrag der Einlage hinaus an eine Kapitalgesellschaft zu leisten hat und welches gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1 des Handelsgesetzbuches in der Bilanz als Kapitalrücklage auszuweisen ist, Bestandteil der Gegenleistung, die der Erwerber aufbringen muss, um die Beteiligungsrechte zu erwerben. Es ist deshalb jenen Geschäftsanteilen als Anschaffungskosten zuzurechnen, für deren Erwerb es aufzubringen war.

Anders als das Finanzamt meinte, handelt es sich bei dieser BFH-Rechtsprechung nicht um eine Einzelfallentscheidung. Die in dem Urteil vom BFH ausgeführten Grundsätze erfahren weder dem zugrundeliegenden Sachverhalt geschuldete Einschränkungen noch hat der BFH anderweitig zum Ausdruck gebracht, dass er seine Entscheidung nicht über den dort entschiedenen Fall hinaus gelten lassen wolle.

Auch die Einfügung des § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG n.F. vermag die Anwendbarkeit der BFH-Rechtsprechung im Streitjahr nicht aufzuheben. Entgegen der Ansicht des Finanzamtes handelt es sich bei § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG n.F. nicht um eine rein deklaratorische - und damit auch bereits für das Streitjahr geltende -, sondern um eine konstitutive Regelung. Ungeachtet der Gesetzesbegründung, die die Regelung als deklaratorisch bezeichnet, konterkariert die Regelung die hier anzuwendende BFH-Rechtsprechung. Seiner Auffassung, die Neuregelung sei deshalb nur deklaratorisch, weil die gleichmäßige Verteilung eines Aufgelds auf alle Anteile der laufenden Verwaltungspraxis vor Einführung der Neuregelung entspreche, müsste sich das Finanzamt zudem entgegenhalten lassen, dass es im Streitfall selbst keine solche Aufteilung vorgenommen hat, sondern das Aufgeld - der Rechtsprechung des BFH folgend - ausschließlich dem Neuanteil zugeordnet hat.

Schließlich liegt auch kein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO vor.

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