25.10.2012

Zur Reinvestition aus gewerblichem Veräußerungsgewinn auf Wirtschaftsgut eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs

§ 6b Abs. 4 S. 2 EStG ist dahingehend auszulegen, dass vom dort verankerten Übertragungsverbot solche Gewinne, die aus der Veräußerung eines Gewerbebetriebs (hier: ein Campingplatz) resultieren und nicht der Gewerbesteuer unterliegen, soweit sie auf begünstigte Wirtschaftsgüter i.S.d. § 6b Abs. 1 S. 1 EStG entfallen, nicht erfasst werden. Das Einkommensteuerrecht unterscheidet grundsätzlich zwischen der Veräußerung/Übertragung von Betrieben einerseits und von Einzelwirtschaftsgütern andererseits.

BFH 30.8.2012, IV R 28/09
Der Sachverhalt:
Der Kläger erzielte bis März 1996 mit dem Betrieb eines Campingplatzes auf einem in seinem Eigentum stehenden Grundstück Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Daneben erzielte er mit einem weiteren Betrieb Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Er ermittelte seine Einkünfte jeweils durch Bestandsvergleich nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG, für die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG.

Anfang 1996 veräußerte der Kläger den Campingplatz einschließlich des Anlagevermögens und errechnete einen Veräußerungsgewinn. In Höhe eines Teilbetrags erklärte er einen laufenden Gewinn und bildete hinsichtlich des verbleibenden Gewinns eine Rücklage nach § 6b EStG, die er auf seinen landwirtschaftlichen Betrieb übertrug. Nach Abzug des Verlustes aus dem laufenden Betrieb erklärte er Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Im Zuge einer Außenprüfung versagte das Finanzamt unter Hinweis auf § 6b Abs. 4 S. 2 EStG die Bildung und Übertragung einer Rücklage aus dem Gewerbebetrieb in den landwirtschaftlichen Betrieb und erfasste stattdessen einen tarifbegünstigten Gewinn. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes bleib vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Das FG hatte § 6b Abs. 4 S. 2 EStG im Ergebnis zu Recht dahingehend ausgelegt, dass vom dort verankerten Übertragungsverbot solche Gewinne, die aus der Veräußerung eines Gewerbebetriebs resultieren und nicht der Gewerbesteuer unterliegen, soweit sie auf begünstigte Wirtschaftsgüter i.S.d. § 6b Abs. 1 S. 1 EStG entfallen, nicht erfasst werden.

Zwar kann die Veräußerung von Gewerbebetrieben als eine solche einer Vielzahl von Einzelwirtschaftsgütern aufgefasst werden. Allerdings unterscheidet das Einkommensteuerrecht grundsätzlich zwischen der Veräußerung/Übertragung von Betrieben einerseits und von Einzelwirtschaftsgütern andererseits. Der Wortlaut des § 6b Abs. 4 S. 2 EStG spricht danach eher dafür, dass nur die Veräußerung von Wirtschaftsgütern im Rahmen des laufenden (stehenden) Gewerbebetriebs gemeint ist. Danach werden von der Regelung Gewinne aus der Veräußerung von begünstigten Wirtschaftsgütern i.S.d. § 6b Abs. 1 S. 1 EStG nicht erfasst, die anlässlich einer Betriebsveräußerung oder einer Betriebsaufgabe anfallen.

Eine solche Gesetzesauslegung entspricht auch dem Telos der Norm. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte durch § 6b Abs. 4 S. 2 EStG verhindert werden, dass stille Reserven, die bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern eines Gewerbebetriebs aufgedeckt worden sind, auf Wirtschaftsgüter übertragen werden können, die zu einem Betrieb einer anderen Einkunftsart gehören. Der Senat konnte keinen sachlichen Grund dafür erkennen, Vorgänge in das auf Sicherstellung des Gewerbesteueraufkommens gerichtete Übertragungsverbot des § 6b Abs. 4 S. 2 EStG einzubeziehen, die Gewinne ausgelöst haben, die als solche nicht der Gewerbesteuer unterfallen. Der Gesetzesbegründung ließen sich insoweit kein Hinweise darauf entnehmen, dass neben der Sicherstellung des Gewerbesteueraufkommens auch eine Kompensation von Einkommensteuerausfällen durch "Nacherhebung" von Gewerbesteuer beabsichtigt gewesen sein könnte.

Es bestanden auch keine Zweifel daran, dass der bei der Veräußerung oder Aufgabe eines Gewerbebetriebs im Ganzen erzielte Gewinn nicht dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen ist und damit nicht der Gewerbesteuer unterliegt. Die Annahme, der Gesetzgeber habe bewusst eine Regelung gewählt, der zu Folge jeder bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern eines Gewerbebetriebs entstehende Gewinn § 6b Abs. 4 S. 2 EStG unterfiele, könnte danach lediglich auf Praktikabilitätsgesichtspunkte gestützt werden. Einer solchen Annahme stand jedoch entgegen, dass einerseits durchgreifende Abgrenzungsprobleme nicht zu erkennen waren, während andererseits dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden konnte, er habe im Rahmen der Ausübung seines gesetzgeberischen Ermessens eine gleichheitswidrige Behandlung zugunsten nachrangiger Praktikabilitätserwägungen in Kauf genommen.

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