07.07.2022

Zurechnung von Grundstücken einer Untergesellschaft

Ein inländisches Grundstück "gehört" einer Gesellschaft i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG nur dann, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 2a GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines zuvor unter § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG fallenden und verwirklichten Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Ein Grundstück einer Untergesellschaft ist einer Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG erworben hat.

Kurzbesprechung
BFH v. 1. 12. 2021 - II R 44/18

GrEStG § 1 Abs 2a, § 6 Abs 3 S 2, § 23
FGO § 120
AO § 39


Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft (§ 1 Abs. 2a GrEStG a.F.).

Ob ein Grundstück i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG zum Vermögen der Gesellschaft "gehört", richtet sich weder nach Zivilrecht noch nach § 39 AO; maßgebend ist vielmehr die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung. Diese zu § 1 Abs. 3 GrEStG entwickelten Grundsätze gelten auch für § 1 Abs. 2a GrEStG. Das folgt aus dem insoweit identischen Wortlaut und der systematischen Stellung der Vorschriften zueinander.

Danach "gehört" ein inländisches Grundstück der Gesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 2a GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG fallenden und verwirklichten Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.

Ein Grundstück "gehört" nicht (mehr) zum Vermögen der Gesellschaft, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht, es aber vor dem Übergang der Anteile am Gesellschaftsvermögen Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S. des § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG war. Umgekehrt "gehört" ein Grundstück (noch) nicht der Gesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt des Übergangs der Anteile am Gesellschaftsvermögen nicht aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.

Diese Grundsätze gelten auch bei mehrstöckigen Beteiligungen, bei denen eine Obergesellschaft an einer grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Ein Grundstück der Untergesellschaft ist der Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG erworben hat. Der bloße Erwerb des Grundstücks durch die Untergesellschaft führt nicht zu einer automatischen Zurechnung bei der Obergesellschaft bzw. im Falle mehrstöckiger Beteiligungsketten bei den Obergesellschaften. Das bloße Halten einer Beteiligung in einer bestimmten Höhe stellt selbst keinen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang dar.

§ 1 Abs. 2a GrEStG a.F. war im Streitfall nicht erfüllt, weil im Zeitpunkt der wirksamen Übertragung der Anteile in 2011 der Steuerpflichtigen kein Grundstück i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. "gehörte". Die Grundstücke, die die X-AG (Holding) 1994 erworben hatte, waren der Steuerpflichtigen grunderwerbsteuerrechtlich nicht zuzurechnen. Sie hatte in Bezug auf diese Grundstücke zuvor keinen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG verwirklicht.

Die Mehrheitsbeteiligung an der X-AG allein führte nicht dazu, der Steuerpflichtigen die Grundstücke beim Erwerb durch die X-AG zuzurechnen. Allein die Absenkung der Beteiligungsgrenze für Anteilserwerbe nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. ab dem 01.01.2000 durch das StEntlG 1999/2000/2002 führte nicht zu einem Erwerbsvorgang und in der Folge nicht zu einer Zurechnung der 1994 von der X-AG erworbenen Grundstücke. Es fehlte insoweit an einem Akt des Rechtsverkehrs.

Nach § 23 Abs. 6 Satz 2 GrEStG ist u.a. § 1 Abs. 3 GrEStG a.F., der eine Herabsetzung auf 95 % vorsah, erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31.12.1999 verwirklicht werden. War die Grenze von 95 % bereits vorher überschritten, führt der Zuerwerb weiterer Anteile nach dem Wortlaut und Wortsinn des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. nicht zu einer Tatbestandsverwirklichung, weil es durch den Erwerb nicht "erstmalig" zu einer Anteilsvereinigung kommt.
Verlag Dr. Otto Schmidt
Zurück