05.09.2022

Anfechtungsklage gegen einen Aktienübertragungsbeschluss

Das Schleswig-Holsteinische OLG hat sich vorliegend mit einer Anfechtungsklage gegen einen Aktienübertragungsbeschluss und der Erklärung eines Widerspruchs bei Aktienerwerb nach Bekanntgabe der Tagesordnung befasst.

Schleswig-Holsteinisches OLG v. 8.6.2022 - 9 U 128/21
Der Sachverhalt:
Der Berufungskläger wendet sich gegen die Zurückweisung seiner Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage, die sich gegen einen Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der ursprünglichen Beklagten, der X bank AG, vom Mai 2020 richtet, durch den die Aktien der Minderheitsaktionäre im Rahmen eines verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out von der aktuellen Beklagten übernommen wurden.

Im März 2020 schlossen die X und die Beklagte einen Verschmelzungsvertrag, in dem die X ihr Vermögen als Ganzes unter Auflösung ohne Abwicklung auf die Beklagte übertrug. Im April 2020 berief die X für den Mai 2020 eine Hauptversammlung ein, bei der u.a. als Tagesordnungspunkt 6 eine Beschlussfassung über die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Beklagte gegen eine angemessene Barabfindung stattfinden sollte. Auf der virtuell abgehaltenen Hauptversammlung wurde ausweislich der darüber angefertigten notariellen Niederschrift durch die Y GmbH mit der Stimmrechtskarte BBB, der 130.000 Stückaktien im Fremdbesitz zugeordnet waren, Widerspruch gegen sämtliche Tagesordnungspunkte eingelegt. Aus der Niederschrift ergibt sich kein Widerspruch mit der ebenfalls auf die Y GmbH im Fremdbesitz ausgestellten Stimmrechtskarte AAA über 75.000 Aktien.

Der Kläger erhob mit Schriftsatz vom 5.6.2020, der am gleichen Tag bei Gericht einging ist, als Kläger zu 2) gemeinsam mit dem damaligen Kläger zu 1), Herrn L, Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage. In dem parallel geführten Freigabeverfahren (9 AktG 1/20) stellte der Senat mit Beschluss vom 14.9.2020 fest, dass die Erhebung der vorliegenden Klage der Eintragung des angegriffenen Beschlusses in das Handelsregister nicht entgegensteht. Der Kläger zu 1) nahm seine Klage mit Schriftsatz vom 12.10.2020 zurück. In der Folge wurde die Verschmelzung in das Handelsregister eingetragen.

Der Kläger behauptet, mit der Stimmrechtskarte AAA, zählend für 75.000 Aktien, Widerspruch gegen die Beschlussfassung zu Tagesordnungspunkt 6) erklärt zu haben. Er habe am Tag der Einberufung der Hauptversammlung 75.000 Stückaktien gehalten und nach der Einberufung weitere Aktien erworben. Mit Schriftsatz vom 9.12.2020 trug er vor, auch der Widerspruch der Y GmbH mit der Stimmrechtskarte Nr. BBB sei ihm zuzurechnen, da er Inhaber der dieser Stimmrechtskarte zugrundeliegenden Aktien gewesen sei. Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass der Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 5.5.2020 zu Tagesordnungspunkt 6, mit dem die Hauptversammlung der Beklagten beschlossen hat: "Die auf den Inhaber lautenden Stückaktien der übrigen Aktionäre der Beklagten (Minderheitsaktionäre) werden gem. § 62 Abs. 5 UmwG gegen Gewährung einer von der Z Aktiengesellschaft mit Sitz in Frankfurt a.M. (Hauptaktionärin) zu zahlenden angemessenen Barabfindung i.H.v. ... € je auf den Inhaber lautenden Stückaktie der Beklagten auf die Hauptaktionärin übertragen", nichtig ist, hilfsweise, den Beschluss für nichtig zu erklären. Das LG entschied mit Zustimmung der Parteien im schriftlichen Verfahren.

Das LG wies die Klage ab. Die Berufung des Klägers hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das LG hat die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage zu Recht abgewiesen.

Der Kläger hat auch mit der Berufungserwiderung nicht nachweisen können, dass er gegen einen Beschluss in der Hauptversammlung der X gem. § 245 AktG einen Widerspruch eingelegt hat, der seine Anfechtungsbefugnis begründen könnte. In Betracht kommt hier allein ein Widerspruch nach § 245 Nr. 1 AktG. Die Anfechtungsbefugnis ist ein materiell-rechtliches privates Gestaltungsrecht und nicht lediglich eine Sachurteilsvoraussetzung der Beschlussmängelklage. Die ordnungsgemäße Erklärung eines Widerspruchs hat der den Beschluss anfechtende Aktionär darzulegen und ggf. glaubhaft zu machen, weil der Widerspruch Voraussetzung der Anfechtungsbefugnis ist. Dem genügt das Vorbringen des Klägers nicht.

Dem Kläger fehlt es allerdings nicht bereits an der Anfechtungsbefugnis, weil er seit Verschmelzung der beiden Gesellschaften durch den Vollzug des von ihm angegriffenen Beschlusses nicht mehr Aktionär weder der X noch der Beklagten ist. Mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses verliert ein Minderheitsaktionär zwar grundsätzlich seine Befugnis, Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gegen Hauptversammlungsbeschlüsse zu erheben. Er muss zum Zeitpunkt der Klageerhebung durch Zustellung einer Beschlussmängelklage noch Aktionär sein. Die Anfechtungsklage nach § 245 Nrn. 1-3 AktG kann nur von einem Aktionär erhoben werden. Mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister verliert ein Minderheitsaktionär seine Stellung als Aktionär, weil die Aktien auf den Hauptaktionär übergehen (§ 327 e Abs. 3 Satz 1 AktG). Durch den Übergang der Aktien verliert der Aktionär aber nicht die Befugnis, gegen den Übertragungsbeschluss selbst vorzugehen. Um den Minderheitsaktionär nicht rechtlos gegen die zwangsweise Übertragung seiner Aktien zu stellen, ist seine Mitgliedschaft in der beklagten Aktiengesellschaft, deren Erhaltung letztlich das Ziel der Klage ist, für diese Klage als fortbestehend anzusehen.

Im Übrigen hat der Kläger auch erst nach Ablauf der einmonatigen Anfechtungsfrist aus § 246 Abs. 1 AktG erstmalig erklärt, seine Anfechtungsbefugnis auf den für die Stimmrechtskarte Nr. BBB erklärten Widerspruch zu stützen. Hat - wie vorliegend - ein Legitimationsaktionär oder ein verdeckter Stellvertreter an der Hauptversammlung teilgenommen und Widerspruch erklärt, muss der wahre Aktionär, wenn er Anfechtungsklage erhebt, innerhalb der Anfechtungsfrist offenlegen, wer für ihn als Legitimationsaktionär oder verdeckter Stellvertreter in der Hauptversammlung Widerspruch erhoben hat. Das hat der Kläger vorliegend nicht getan, sondern in der Klageschrift vielmehr behauptet, selbst unter der Stimmrechtskarte AAA Widerspruch erklärt zu haben, ohne dies jedoch belegen zu können. Erst in der Replik, und damit nach Ablauf der Anfechtungsfrist, hat er behauptet, durch die Y GmbH mit der Stimmrechtskarte BBB Widerspruch eingelegt zu haben.

Selbst wenn man davon ausginge, der Kläger habe seine Anfechtungsbefugnis (rechtzeitig) belegt, so führen die von ihm vorgebrachten Umstände dennoch nicht zur Anfechtbarkeit des Beschlusses. In Bezug auf die erst mit Schriftsatz vom 9.12.2020 neu vorgebrachten Kritikpunkte sind diese bereits wegen Versäumung der einmonatigen Anfechtungsfrist aus § 246 Abs. 1 AktG präkludiert. Dies betrifft die Rüge eines Verstoßes gegen § 13 Abs. 1 Satz 2 UmwG, die erstmalig in diesem Schriftsatz erhoben wird. Vorliegend hat der Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 9.12.2020 vorgetragen, in der virtuell durchgeführten Hauptversammlung sei ein Verschmelzungsvertrag geschlossen worden, was einen Verstoß gegen § 13 Abs. 1 Satz 2 UmwG darstelle, wonach dieser Beschluss nur in einer Präsenzversammlung gefasst werden könne, so dass der Verschmelzungsvertrag unwirksam sei. Soweit er damit behaupten will, in der Hauptversammlung sei ein Beschluss über den Verschmelzungsvertrag gefasst worden, so handelt es sich dabei zum einen um neuen Vortrag, mit dem der Kläger nach dem oben Gesagten präkludiert ist. In der Hauptversammlung wurde im Übrigen kein Verschmelzungsbeschluss i.S.d. § 13 Abs. 1 UmwG gefasst, sondern ein Beschluss nach § 62 Abs. 5 Satz 1 UmwG über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre, der nicht dem Präsenzerfordernis des § 13 UmwG unterliegt. Dies ergibt sich aus § 62 Abs. 5 Satz 2 UmwG, der für die Hauptversammlung nicht auf § 13 UmwG, sondern auf §§ 327a ff. AktG verweist.

Schließlich liegt auch in Bezug auf die innerhalb der Anfechtungsfrist gerügten Mängel kein Anfechtungsgrund vor.

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Aufsatz:
Die Verbesserung des Umtauschverhältnisses mit Zusatzaktie
Victor Habrich, AG 2022, 567

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