24.03.2020

Masseschmälerung durch Einziehung einer Vorauszahlung auf ein debitorisches Konto

Die Einziehung einer Vorauszahlung auf ein debitorisches Konto führt unabhängig davon, ob die auf Vorauszahlung gerichtete Forderung der Gesellschaft zu Gunsten der Gläubiger hätte verwertet werden können, zu einer Masseschmälerung. Bezieht sich eine durch Insolvenzanfechtung erreichte Rückzahlung nicht auf einzelne Gutschriften, sondern auf die Saldodifferenz in einem bestimmten Zeitraum, werden die in die Saldodifferenz einfließenden Gutschriften im Verhältnis der Saldodifferenz zur Gesamtsumme der Gutschriften, mithin zum selben Anteil ausgeglichen, wenn die Differenz die Summe der Gutschriften nicht erreicht.

BGH v. 11.2.2020 - II ZR 427/18
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der H. mbH & Co. Betriebs-KG (Schuldnerin), das auf Antrag vom 19.10.2010 eröffnet wurde. Der Beklagte war Geschäftsführer der H. mbH, der vormaligen Komplementärin der Schuldnerin. Die Schuldnerin betrieb seit 1999 eine Charterfluglinie mit einem Streckennetz in Europa und unterhielt bei der H. bank ein Geschäftskonto, auf dem im Zeitraum vom 19.7.2010 bis 4.8.2010 Zahlungen eingingen, die mit dem jeweiligen Sollsaldo verrechnet wurden. Der Kläger focht die Verrechnung der Gutschriften gegenüber der H. bank an und erreichte aufgrund eines Vergleichs die Rückzahlung von rd. 530.000 €.

Der Kläger verlangt mit der Klage vom Beklagten die Erstattung von Einzahlungen i.H.v. rd. 4 Mio. €, wobei er in der Klageschrift Einzahlungen auf das Konto i.H.v. rd. 4,5 Mio. € näher bezeichnet und von diesem Betrag rd. 530.000 € abgezogen hat. Nach Einwendungen des Beklagten konkretisierte der Kläger die Zahlungsaufstellung, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob die Zahlung der H. bank in dieser Aufstellung weiterhin berücksichtigt wurde.

Das LG gab der Klage statt; das OLG wies sie ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Beklagte Vorauszahlungen auf Charterreisen, welche auf das Konto bei der H. bank geleistet wurden, nicht gem. § 130a Abs. 2 Satz 1, § 177a Satz 1 HGB zu erstatten hat, weil diese bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten nicht zur Masse gelangt wären.

Zutreffend weist das OLG darauf hin, dass Einzahlungen auf ein debitorisches Konto die verteilungsfähige Vermögensmasse der Gesellschaft zu Lasten ihrer Gläubiger schmälern. Wird eine Forderung der Gesellschaft auf ein debitorisches Konto eingezogen, wird der künftigen Insolvenzmasse zugunsten der kontoführenden Bank die Forderung gegen den Drittschuldner entzogen. Der Einzug eines Schecks oder einer Forderung auf ein debitorisches Konto ist wirtschaftlich nicht anders zu behandeln als der Fall, dass der Geschäftsführer mit einem vom Schuldner erhaltenen Barbetrag die Forderung der Bank begleicht. Die Einziehung einer Vorauszahlung auf ein debitorisches Konto führt daher unabhängig davon, ob die auf Vorauszahlung gerichtete Forderung der Gesellschaft zu Gunsten der Gläubiger hätte verwertet werden können, zu einer Masseschmälerung. Es genügt, dass der Gesellschaft ein schuldrechtlicher Anspruch gegen den Vorauszahlenden zustand, den diese als Rechtsposition aufgibt, mithin der Gegenwert für das Geleistete aus dem Vermögen der Gesellschaft stammt.

Entgegen der Sicht des OLG kommt es für die Erstattungspflicht des Beklagten nicht darauf an, ob die Vorauszahlungen auf das Konto bei der H. bank auch bei pflichtgemäßem Verhalten in die Masse gelangt wären. Hat der organschaftliche Vertreter das für die Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung stehende Vermögen der Gesellschaft tatsächlich geschmälert, hängt seine Ersatzpflicht nicht davon ab, ob der Vermögenswert, der Gegenstand der Zahlung ist, der Gesellschaft im Falle eines pflichtgemäßen Verhaltens zur Verfügung gestanden hätte. Die Annahme des OLG, die verbleibenden Einzahlungen auf das Konto bei der H. bank i.H.v. rd. 150.000 € seien durch die von dieser geleisteten Zahlung i.H.v. rd. 530.000 € ausgeglichen worden, weil die den Einzahlungen zu Grunde liegende Masseschmälerung durch erfolgreiche Anfechtung wieder aufgefüllt worden sei, hält der rechtlichen Überprüfung mit der vom OLG gegebenen Begründung ebenfalls nicht stand.

Entgegen der Sicht des OLG werden aber nicht nur diejenigen Gutschriften ausgeglichen, hinsichtlich derer eine Ersatzpflicht des vertretungsberechtigten Organs vorliegt. Ob und in welchem Umfang eine Masseschmälerung nachträglich ausgeglichen worden ist, richtet sich ausschließlich danach, inwieweit bezogen auf den einzelnen Zahlungsvorgang der Zweck der Ersatzpflicht erreicht ist. Bezieht sich eine durch Insolvenzanfechtung erreichte Rückzahlung nicht auf einzelne Gutschriften, sondern auf die Saldodifferenz in einem bestimmten Zeitraum, werden die in die Saldodifferenz einfließenden Einzahlungen im Verhältnis der Saldodifferenz zur Gesamtsumme der Gutschriften, mithin zum selben Anteil ausgeglichen, wenn die Differenz die Summe der Gutschriften nicht erreicht.
BGH online
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