06.02.2024

Unternehmereigenschaft: Verbotene Verfallabrede gem. §§ 1149, 1192 BGB?

Es liegt keine gem. §§ 1149, 1192 BGB verbotene Verfallabrede vor, wenn der Darlehensgläubiger, zu dessen Absicherung ein Verkaufsangebot in Bezug auf die mit dem Darlehen finanzierte Immobilie abgegeben wird, nicht mit dem Grundpfandgläubiger, der das Darlehen refinanziert, identisch ist. Das gilt auch im Falle einer personalen Verflechtung dergestalt, dass die Abgabe des Kaufangebots gegenüber dem Darlehensgläubiger einerseits und die Bestellung des Grundpfandrechts zugunsten der das Darlehen refinanzierenden GmbH andererseits erfolgt, deren Prokurist bzw. Geschäftsführer der Darlehensgläubiger ist. Eine solche Gestaltung stellt auch keine rechtsmissbräuchliche Umgehung der §§ 1149, 1192 BGB dar. Beruft sich der Darlehensnehmer darauf, dass der Darlehensgeber Unternehmer i.S.v. § 14 BGB sei, ist er dafür darlegungs- und beweisbelastet.

OLG Hamburg v. 11.1.2024 - 15 U 28/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Räumung und Herausgabe dreier Wohnungseigentumseinheiten, belegen in der XY-Straße in Hamburg (Townhäuser). Diesem Hauptsacheverfahren ging ein Eilverfahren vor dem LG voraus. Dort stritten die Parteien darüber, ob zu Gunsten der hiesigen Beklagten ein Widerspruch gegen die Eigentümerstellung der hiesigen Klägerin in die drei Grundbücher der Townhäuser einzutragen sei. Der Verfügungsantrag hatte weder vor dem LG noch vor dem OLG Erfolg. Außerdem führte die hiesige Beklagte zwei aus ihrer Sicht erfolglos gebliebene Notarbeschwerdeverfahren vor dem LG. Damit wollte sie die Auflassung der Townhäuser an die Klägerin verhindern. Die Beklagte hatte ihrerseits im Mai 2018 als Käuferin einen Kaufvertrag betreffend die drei Townhäuser geschlossen. Die Auflassung an die Beklagte erfolgte am 31.5.2018; die Auflassungsvormerkungen zugunsten der Beklagten in allen drei Grundbüchern wurden erst am 27.9.2019 eingetragen. Am 7.1.2020 wurde die Beklagte als Eigentümerin in allen drei Grundbüchern eingetragen. Am 18.8.2020 wurde in allen drei Grundbüchern eine bedingte Auflassungsvormerkung zugunsten der Klägerin eingetragen.

Ebenfalls im Mai 2018 hatte die Beklagte als Verkäuferin mit der A. GmbH & Co. KG einen Kaufvertrag betreffend das Grundstück Am E-Platz in H-O geschlossen. Hinter der A. GmbH & Co. KG standen wirtschaftlich die Verkäufer der Townhäuser bzw. von diesen beherrschte Gesellschaften. Aus diesem Kaufvertrag standen der Beklagten unter bestimmten Bedingungen Kaufpreisnachbesserungsansprüche zu. Außerdem war sie nach dem Vertrag berechtigt, einen weiteren Käufer für das Objekt zu benennen, an den die A. GmbH & Co. KG sodann das Objekt weiterverkaufen hätte müssen. Von diesem weiteren Käufer wäre ein Mindestkaufpreis i.H.v. 1,6 Mio. € an die A. GmbH & Co. KG zu zahlen gewesen, und ein darüberhinausgehender Kaufpreis wäre der Beklagten verblieben. Es war vor diesem Hintergrund unstreitig zunächst beabsichtigt, dass die M. GmbH, deren Prokuristin die Klägerin damals war und deren Geschäftsführerin sie inzwischen ist, das Objekt Am E-Platz von der A. GmbH & Co. KG für 1,6 Mio. € kauft und die M. GmbH und die Beklagte in derselben notariellen Urkunde eine Regelung treffen, wonach die M. GmbH an die Beklagte eine Zahlung für die "Entwicklungsleistung" bzgl. dieses Grundstücks i.H.v. 1,1 Mio. € erbringt. Der Vertrag sollte zeitgleich mit dem hier in Streit stehenden Darlehensvertrag am 18.11.2019 beurkundet werden.

Dazu kam es jedoch nicht, weil die M. GmbH wenige Stunden vor der verabredeten Beurkundung die Bedingungen für die Zahlung an die Beklagte für das Objekt Am E-Platz in zwei weiteren Vertragsentwürfen erheblich verschlechterte. Letztlich sollte statt eines sofortigen Zahlbetrags i.H.v. 1,1 Mio. € nur eine hälftige Gewinnbeteiligung der Beklagten ab einem Erlös von 2,7 Mio. € bei einem erneuten Weiterverkauf des bis zur Baugenehmigung entwickelten Objektes gezahlt werden. Die Beklagte trägt vor, dass es für sie darauf angekommen sei, beide Verträge so wie geplant zu schließen, weil nur so ihr Gesamtkonzept zur (Um-) Finanzierung für beide Immobilien habe aufgehen können. Angesichts der kurzfristig verschlechterten Bedingungen habe sie den Vertrag betreffend das Objekt Am E-Platz nicht schließen können. Den Darlehensvertrag habe sie aber dennoch am 18.11.2019 schließen müssen, da sie zwingend auf die Zwischenfinanzierung der Townhäuser angewiesen gewesen sei. Die Klägerin habe am Tage der Beurkundung die Bedingungen zu Lasten der Beklagten verändert, um die Beklagte für das Scheitern des Erwerbes des Objekts Am E-Platz verantwortlich machen zu können.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 9.9.2020 an den Notar Dr. R. erklärte die Beklagte den Widerruf der den Büroangestellten des Notars in der Urkunde erteilten Vollmachten. Dort hatten sowohl die Beklagte als auch die Klägerin Durchführungsvollmachten unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB zugunsten der Notariatsangestellten Frau D., Frau L., Frau S. und Frau R. erteilt. In der Auflassung betreffend die drei Townhäuser am 20.1.2022 vor dem Notar Dr. R. wurde die Beklagte ebenso wie die Klägerin durch die Notariatsangestellte Frau D. vertreten, woraufhin die Klägerin am 17.3.2022 als Eigentümerin in allen drei Grundbüchern eingetragen wurde.

Das LG gab der Herausgabeklage aus § 985 BGB und aus § 433 Abs. 1 BGB statt. Auf die Berufung der Beklagten wies das OLG die Klage hinsichtlich einer der drei Wohnungseigentumseinheiten ab und gab ihr ansonsten überwiegend statt.

Die Gründe:
Die Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg. Das betrifft die von der Klägerin nach wie vor begehrte Herausgabe auch des Hauses 2, obwohl sie inzwischen unstreitig dessen unmittelbare Besitzerin geworden ist. Im Übrigen bleibt der Berufung der Erfolg versagt, denn insoweit hat das LG der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung stattgegeben. Dem liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde.

Es liegt keine gem. §§ 1149, 1192 BGB verbotene Verfallabrede vor, wenn der Darlehensgläubiger, zu dessen Absicherung ein Verkaufsangebot in Bezug auf die mit dem Darlehen finanzierte Immobilie abgegeben wird, nicht mit dem Grundpfandgläubiger, der das Darlehen refinanziert, identisch ist. Das gilt auch im Falle einer personalen Verflechtung dergestalt, dass die Abgabe des Kaufangebots gegenüber dem Darlehensgläubiger einerseits und die Bestellung des Grundpfandrechts zugunsten der das Darlehen refinanzierenden GmbH andererseits erfolgt, deren Prokurist bzw. Geschäftsführer der Darlehensgläubiger ist. Eine solche Gestaltung stellt auch keine rechtsmissbräuchliche Umgehung der §§ 1149, 1192 BGB dar.

Beruft sich der Darlehensnehmer (hier: mit Blick auf ein Verbraucherwiderrufsrecht) darauf, dass der Darlehensgeber Unternehmer i.S.v. § 14 BGB sei, ist er dafür darlegungs- und beweisbelastet. Wenn der Darlehensgeber eine natürliche Person und der objektive Zweck des Darlehens kein unternehmerischer ist, ist grundsätzlich von der Verbrauchereigenschaft des Darlehensgebers auszugehen. Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn der Darlehensnehmer darlegt und ggf. beweist, dass die ihm bei Vertragsschluss erkennbaren Umstände eindeutig und zweifelsfrei darauf hinweisen, dass die natürliche Person das Darlehen in Verfolgung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit gewährt hat. Bei verbleibenden Zweifeln ist zu Gunsten der Verbrauchereigenschaft des Darlehensgebers zu entscheiden.

Bei Beantwortung der Frage, ob die im Rahmen eines zweiseitigen notariellen Vertrags erteilte Durchführungsvollmacht zugunsten eines Notariatsmitarbeiters einseitig widerrufen werden kann (hier verneint), ist zu berücksichtigen, dass die Durchführungsvollmacht auch im Interesse der anderen Vertragspartei erteilt worden ist. Das der Vollmachtserteilung zugrundeliegende Kausalverhältnis ist nicht nur der dem Notariatsmitarbeiter erteilte Auftrag, sondern in erster Linie der zweiseitige notarielle Vertrag.

Der Besitz an einem vermieteten Objekt ist kein Recht und keine Pflicht i.S.v. § 566 Abs. 1 BGB, so dass er nicht ipso iure vom alten auf den neuen Eigentümer übergeht. Mitbesitzer sind zur Herausgabe gem. § 985 BGB nicht als Gesamtschuldner verpflichtet, denn jeder Mitbesitzer kann nur seinen Besitzanteil herausgeben und nicht auch den der anderen. Soweit der Gegenstand einer Zwischenfeststellungswiderklage i.S.v. § 45 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 GKG wirtschaftlich über den Gegenstand der Klage hinausreicht, führt dies zur Addition der Streitwerte.

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