06.06.2025

Vertretung einer atypischen KGaA bei Rechtsgeschäften mit ihrer Komplementärgesellschaft

Zwar ist umstritten, ob § 112 Satz 1 AktG bei der atypischen Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) bei Rechtsgeschäften mit ihrer Komplementärgesellschaft Anwendung findet. Doch die KGaA, deren einzige persönlich haftende Gesellschafterin keine natürliche Person ist (atypische KGaA), wird bei Rechtsgeschäften mit ihrer Komplementärgesellschaft von ihrem Aufsichtsrat vertreten.

BGH v. 7.5.2025 - II ZB 2/24
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist eine KGaA. Ihre einzige persönlich haftende Gesellschafterin ist die M. KGaA, die gleichzeitig mittelbar über eine 100%-ige Tochtergesellschaft sämtliche Kommanditaktien der Antragstellerin hält. Zwischen der Antragstellerin und ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin besteht ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Über die Antragstellerin betreibt die persönlich haftende Gesellschafterin in Deutschland ihren Geschäftsbereich "Healthcare". Die weiteren von dieser in Deutschland unterhaltenen Geschäftsbereiche unterliegen einer ähnlichen Unternehmensstruktur.

Am 14.2.2023 hatte die Antragstellerin verschiedene Änderungen der Satzung zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet, darunter auch Ziffer III., die auszugsweise wie folgt lautet:

"[...] 2. § 8 Absätze 2 und 3 der Satzung der Gesellschaft wurden geändert und lauten nunmehr:
(2) Solange die M. KGaA persönlich haftende Gesellschafterin der Gesellschaft ist, gelten die folgenden Absätze 2 a.und 2 b.:
a. Die persönlich haftende Gesellschafterin ist bei der Vertretung der Gesellschaft von den Beschränkungen des § 181 Alt. 1 BGB (Verbot des In-Sich-Geschäfts) und des § 181 Alt. 2 BGB (Verbot der Mehrfachvertretung) befreit.
b. Gegenüber den Mitgliedern der Geschäftsleitung der persönlich haftenden Gesellschafterin wird die Gesellschaft durch den Aufsichtsrat vertreten. [...]
3. Die Vertretungsbefugnis ist wie folgt geregelt:
Allgemeine Vertretungsregelung: Jeder persönlich haftende Gesellschafter vertritt die Gesellschaft einzeln.
Konkrete Vertretungsregelung:
Persönlich haftende Gesellschafterin ist die M. KGaA, D. (Amtsgericht Darmstadt, HRB ). Sie vertritt die Gesellschaft allein und ist befugt, im Namen der Gesellschaft mit sich im eigenen Namen (Befreiung von der Beschränkung des § 181 Alt. 1 BGB) oder als Vertreter eines Dritten (Befreiung von der Beschränkung des § 181 Alt. 2 BGB) Rechtsgeschäfte abzuschließen."


Das Registergericht hat die Eintragung von Ziffer III. abgelehnt. Die Antragstellerin blieb in allen weiteren Instanzen erfolglos.

Gründe:
Das Registergericht hat die Eintragung der verfahrensgegenständlichen Satzungsänderungen zu Recht abgelehnt.

§ 112 Satz 1 AktG ist auch im Fall einer atypischen KGaA, bei welcher die persönlich haftende Gesellschafterin keine natürliche Person ist im Verhältnis zwischen der KGaA und ihrer Komplementärgesellschaft anwendbar. Daher verstößt § 8 Abs. 2 a. der Satzung der Antragstellerin in der zur Eintragung angemeldeten Fassung gegen § 112 Satz 1 AktG i.V.m. § 278 Abs. 3 AktG (aa)) und ist gem. § 241 Nr. 3 AktG nichtig. Die von der Antragstellerin angemeldete Satzungsregelung ist auch nicht deswegen eintragungsfähig, weil § 112 AktG bei einer KGaA insoweit satzungsdispositiv wäre, als sie eine Verlagerung der Vertretungskompetenz des Aufsichtsrats auf den Komplementär gestattete (bb)).

Zwar ist umstritten, ob § 112 Satz 1 AktG bei der atypischen KGaA bei Rechtsgeschäften mit ihrer Komplementärgesellschaft Anwendung findet. Die überwiegende Meinung befürwortet jedoch eine Anwendung. Diese Ansicht ist zutreffend. Die KGaA wird bei Rechtsgeschäften mit ihrer Komplementärgesellschaft von ihrem Aufsichtsrat vertreten. Wer zur Vertretung einer KGaA berufen ist, bestimmt sich nach § 278 AktG. Nach dessen Absatz 2 sind grundsätzlich die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über die Kommanditgesellschaft anwendbar, so dass nach § 161 Abs. 2, §§ 124, 170 HGB die Komplementäre Vertreter der Gesellschaft sind.

Dies gilt aber nicht, wenn die Gesellschaft gegenüber dem persönlich haftenden Gesellschafter vertreten werden muss. Nicht anders als bei der KGaA mit natürlichen Personen als persönlich haftenden Gesellschaftern ist bei der atypischen KGaA insoweit der Aufsichtsrat nach § 278 Abs. 3, § 112 Satz 1 AktG zur Vertretung der Gesellschaft befugt. Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 24.2.1997 (II ZB 11/96) festgestellt hatte, die Akzeptanz der Gesellschaftsform der atypischen KGaA könne der Praxis überlassen bleiben, folgte daraus nicht, dass die Ausgestaltung dieser Mischrechtsform frei von rechtlichen Bindungen allein im Gutdünken ihrer Gesellschafter liege.

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