Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 13)
Inhaltskontrolle von Versorgungszusagen für Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft
1. Die Herabsetzung der Versorgungsbezüge eines Vorstandsmitglieds kommt, wenn überhaupt, nur unter ganz engen Voraussetzungen in Betracht.
2. Selbst wenn ein vertraglicher Widerrufsvorbehalt für den Notfall zulässig sein sollte, unterliegt die betreffende Klausel, sofern es sich bei ihr um eine AGB handelt, einer strengen Inhaltskontrolle anhand der Maßstäbe der Transparenz und der Bestimmtheit.
(alle nicht amtl.)
OLG München 31.7.2024, 7 U 351/23 e
Kündigung eines Vorstandsmitglieds wegen Verstoßes gegen Datenschutzrecht; Reichweite der Verschwiegenheitspflicht
1. Hat nur ein Aufsichtsratsmitglied Kenntnis von Umständen, die die außerordentliche fristlose Kündigung eines Vorstandsmitglieds tragen, beginnt die Kündigungsausübungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB noch nicht zu laufen, weil § 112 Satz 2 AktG nicht anwendbar ist; der Fristbeginn setzt grundsätzlich die Kenntnis des Gesamtaufsichtsrats voraus.
2. Wird die Einberufung des Aufsichtsrats einer AG von ihren einberufungsberechtigten Mitgliedern nach Kenntniserlangung von dem Kündigungssachverhalt unangemessen verzögert, muss sich der Aufsichtsrat so behandeln lassen, als wäre die Aufsichtsratssitzung mit der billigerweise zumutbaren Beschleunigung einberufen worden.
3. Die Kenntnis vom Kündigungssachverhalt i.S.d. § 626 Abs. 2 BGB erfordert eine sichere und umfassende Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen. Sie liegt vor, wenn alles in Erfahrung gebracht worden ist, was als notwendige Grundlage für eine Entscheidung über Fortbestand oder Auflösung des Dienstverhältnisses anzusehen ist.
4. Kennenmüssen oder grob fahrlässige Unkenntnis genügen im Rahmen des § 626 Abs. 2 BGB grundsätzlich nicht. Der Kenntnis steht aber ein Sich-Verschließen gleich, das vorliegt, wenn der Aufsichtsrat es versäumt hat, eine auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeit wahrzunehmen.
5. Die in § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG normierte Verschwiegenheitsverpflichtung kann aber auch nicht durch Satzung, Geschäftsordnung oder Anstellungsvertrag erweitert werden, wie sich aus § 23 Abs. 5 AktG ergibt.
6. Die Weiterleitung einer E Mail mit vertraulichen Angaben an die eigene Privatadresse des Vorstandsmitglieds führt für sich genommen nicht zu einer Verletzung der Verschwiegenheitspflicht aus § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG.
7. Leitet ein Vorstandsmitglied E Mails mit personenbezogenen Daten Dritter auf sein privates E Mail-Konto weiter, handelt es sich um eine unbefugte Datenverarbeitung i.S.d. Art. 4 Nr. 2 DSGVO und damit um eine Legalitätspflichtverletzung, die einen Kündigungsgrund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB darstellen kann.
(alle nicht amtl.)
BFH 9.8.2024, X B 94/23
Feststellung der Voraussetzungen für die Steuerfreiheit von Sanierungserträgen
1. Für die Auslegung der in § 3a Abs. 2 EStG enthaltenen Tatbestandsmerkmale ist auf die zu § 3 Nr. 66 EStG a.F. ergangenen Rechtsprechungsleitlinien zurückzugreifen (vgl. BFH v. 27.11.2020 - X B 63/20, BFH/NV 2021, 531 Rz. 7).
2. Für die erforderliche Feststellung der Sanierungseignung enthält das Gesetz keine feste Beweisregel dahingehend, dass ein bestimmtes Kriterium, aus dem die Sanierungseignung abgeleitet werden kann, unbedingt vorliegen müsste. Wesentliche Indizien für das Bestehen von Sanierungseignung sind u.a. das Vorliegen eines nachvollziehbaren und prüfbaren Sanierungskonzepts oder ein rückblickend erfolgreicher Abschluss der Sanierung.
3. Das Tatbestandsmerkmal der "Sanierungsabsicht der Gläubiger" hat im Rahmen des § 3a Abs. 2 EStG eine eigenständige Relevanz (vgl. bereits BFH v. 27.11.2020 - X B 63/20, BFH/NV 2021, 531 Rz. 9). Damit wäre es unvereinbar, das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals stets bereits dann zu vermuten, wenn ein einzelner Gläubiger im Zusammenhang mit einer Sanierung auf eine Forderung ganz oder teilweise verzichtet.
(alle amtl.)
BFH 11.7.2024, IV R 18/22
Aufwärtsabfärbung bei lediglich verrechenbaren Verlusten gem. § 15a EStG
1. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2 und Satz 2 Alt. 2 EStG sind in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht auch ohne Berücksichtigung einer Geringfügigkeitsgrenze, bis zu deren Erreichen die gewerblichen Beteiligungseinkünfte nicht auf die übrigen Einkünfte abfärben, verfassungsgemäß (Anschluss an Urteile des BFH v. 6.6.2019 - IV R 30/16, BFHE 265, 157 = BStBl. II 2020, 649; BFH v. 5.9.2023 - IV R 24/20, BFHE 281, 374).
2. § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG, der die rückwirkende Geltung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alt. 2 EStG anordnet, verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.
3. Für den Eintritt einer Aufwärtsabfärbung gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2, Satz 2 Alt. 2 EStG kommt es nur auf den Bezug gewerblicher Beteiligungseinkünfte, nicht aber auf deren Höhe oder darauf an, ob ein zugewiesener Verlust der Ausgleichsbeschränkung des § 15a Abs. 1 EStG unterliegt.
(alle amtl.)