29.11.2021

Allgemeines Persönlichkeitsrecht wird nicht vom Unternehmenspersönlichkeitsrecht verdrängt

Eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG iVm § 19 Abs. 3 GG wird nicht dadurch verdrängt, dass möglicherweise wettbewerbsrechtliche Ansprüche, etwa aus §§ 8 Abs. 1 S. 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG, bestehen. Denn das Unternehmenspersönlichkeitsrecht gewährt dem Anspruchsteller gerade hinsichtlich seiner freien Tätigkeit am Markt und der Inanspruchnahme seiner Rechte weitergehenden Schutz als das Wettbewerbsrecht, das nach § 1 UWG die Lauterkeit des Wettbewerbs schützt und deshalb einen Bezug zu diesem Zweck verlangt.

LG Bielefeld v. 23.11.2021 - 15 O 104/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein deutscher Versicherungskonzern. Die Beklagte bezeichnet sich selbst als "Profilerin" und betätigt sich u.a. als Vortragsrednerin, Autorin und Coach für Persönlichkeitsbildung. Ihr Engagement als Vortragsrednerin erfolgt dabei auch über Agenturen, wobei in der Regel im Vorfeld der verbindlichen Buchung und Durchführung der Veranstaltung eine Korrespondenz zwischen Auftraggeber und der Beklagten stattfindet.

Unter dem Link "References" gelangt man im Internetauftritt der Beklagten auf eine Seite, auf der eine Vielzahl juristischer Personen, darunter auch die Klägerinnen, in alphabetischer Reihenfolge gelistet sind. Hervorgehoben ist zu Beginn der meisten dieser Abschnitte ein lobendes Zitat unter Angabe des Urhebers und seiner Zugehörigkeit zu einem Unternehmen. Überschrieben ist die Seite mit "Kunden & Referenzen".

Im September 2018 hatte die Klägerin die Beklagte aufgefordert, die Namen ihrer Unternehmensgruppe aus dem oben genannten Internetauftritt der zu entfernen. Diesem Verlangen kam die Beklagte zunächst nach. In der Folgezeit wurden die Namen jedoch wieder auf der Internetseite genannt.

Die Klägerin behauptete, es habe nie eine Zusammenarbeit zwischen ihr und der Beklagten stattgefunden. Diesbezüglich seien keine Einträge im IT-System und der zentralen Finanzbuchhaltung sowie der konzernübergreifenden Kommunikationsabteilung vorhanden und die Beklagte sei diesen Abteilungen unbekannt. Die Beklagte verwies auf zwei Veranstaltungen in den Jahre 2008 und 2009, bei denen sie für die Klägerin gearbeitet habe. Buchungs- oder Rechnungsbelege habe sie diesbezüglich jedoch mittlerweile vernichtet, da sie nicht mehr damit habe rechnen können, diese nach so langer Zeit noch einmal zum Nachweis ihrer Tätigkeit zu benötigen.

Das LG gab der Unterlassungs- und Zahlungsklage weitestgehend statt.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Nennung ihres Namens sowohl als Kundin als auch als Referenz, § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog iVm § 823 Abs. 1 BGB.

Indem die Beklagte den Namen der Klägerin auf ihrem Internetauftritt unter der Überschrift "Kunden & Referenzen" nennt, beeinträchtigt sie diese in ihrem sozialen Geltungsanspruch als Unternehmen, das eine speziell für Unternehmen geltende Ausformung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG iVm § 19 Abs. 3 GG darstellt und als sonstiges Recht von § 823 Abs. 1 BGB erfasst wird. Dieses Recht wird nicht dadurch verdrängt, dass möglicherweise wettbewerbsrechtliche Ansprüche, etwa aus §§ 8 Abs. 1 S. 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG, bestehen. Denn das Unternehmenspersönlichkeitsrecht gewährt dem Anspruchsteller gerade hinsichtlich seiner freien Tätigkeit am Markt und der Inanspruchnahme seiner Rechte weitergehenden Schutz als das Wettbewerbsrecht, das nach § 1 UWG die Lauterkeit des Wettbewerbs schützt und deshalb einen Bezug zu diesem Zweck verlangt. Auch liegt keine vorrangige Betroffenheit des Namensrechts aus § 12 BGB vor, da weder ein Fall der Namensleugnung noch der Namensanmaßung gegeben ist.

Das gegenläufige Interesse der Beklagten an Werbung mit den Namen von Kunden und Angabe von Referenzen ist zwar generell von der Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, geschützt, da die Werbung für die Beklagte mittels Internetpräsenz zu ihrer geschäftlichen Tätigkeit gehört. Jedoch kann dieses Interesse vorliegend keine Schutzwürdigkeit beanspruchen, da nicht dargelegt ist, dass eine Zusammenarbeit mit der Klägerin in der Vergangenheit stattgefunden hatte. Das Vorbringen, die Beklagte habe nach so langer Zeit nicht mehr damit rechnen können, entsprechende Belege zum Nachweis einer Tätigkeit zu benötigen, trägt nicht. Als ihre aus § 14b b Abs. 1 UStG folgende Pflicht zur Aufbewahrung einer Rechnung für eine Veranstaltung aus dem Jahr 2008 mit Schluss des Jahres 2018 ablief, hätte ihr bewusst sein müssen, dass sie ihre Tätigkeit möglicherweise noch einmal nachzuweisen hat.

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