09.05.2025

Ansprüche des Empfängers gegen den Unterfrachtführer wegen Beschädigung des Guts

Hat es ein Unterfrachtführer übernommen, das Gut unmittelbar an den letzten Empfänger auszuliefern, kann dieser im Falle der Beschädigung des Guts gegenüber dem Unterfrachtführer gem. § 421 Abs. 1 Satz 2 HGB die Rechte aus dem Unterfrachtvertrag geltend machen.

BGH v. 24.4.2025 - I ZR 103/24
Der Sachverhalt:
Die Klägerin kaufte im Dezember 2021 von einer in den USA ansässigen Verkäuferin zwei physikalische Messgeräte, sog. Spektrometer, zu einem Gesamtkaufpreis von 23.350 US-Dollar. Die Beklagte, das deutsche Tochterunternehmen der in den USA ansässigen U. (U. USA), war als Unterfrachtführerin mit der Verzollung und dem Transport der Ware innerhalb von Deutschland beauftragt. Am 15.3.2022 unternahm sie ohne vorherige Ankündigung den Versuch, die Sendung bei der Warenannahme der Klägerin abzuliefern. Seitens des Fahrers der Beklagten wurde dabei ein Barausgleich der im Zuge der Zollanmeldung angefallenen Kosten i.H.v. rd. 4.100 € verlangt, welcher der Klägerin aufgrund der bei ihr geltenden haushaltsrechtlichen Bestimmungen nicht möglich war. Der Fahrer verweigerte daher die Aushändigung der Sendung.

Nach Erhalt der Rechnung zahlte die Klägerin rd. 4.100 € an die Beklagte. Eine Auslieferung des Transportguts erfolgte nicht. Da es bei der Beklagten keinem Empfänger und keinem Absender mehr zugeordnet werden konnte, wurde es veräußert. Die Klägerin wirft der Beklagten grobes Organisationsverschulden vor und erhob gegen sie Klage auf Schadensersatz i.H.v. rd. 26.800 €.

LG und KG gaben der Klage statt. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das KG hat mit Recht angenommen, dass der Klägerin der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 421 Abs. 1 Satz 2, § 425 Abs. 1, § 435 HGB gegen die Beklagte zusteht.

Nach BGH-Rechtsprechung hat der Empfänger gegenüber dem abliefernden Unterfrachtführer bei Verlust, Beschädigung oder verspäteter Ablieferung des Guts einen Anspruch auf Schadensersatz. Der Hauptfrachtführer, der einen Beförderungsauftrag selbst nicht (vollständig) ausführt, sondern damit im eigenen Namen und für eigene Rechnung einen anderen Frachtführer, den Unterfrachtführer, beauftragt, schließt mit diesem einen selbständigen (Unter-)Frachtvertrag ab. Der Unterfrachtführer haftet dem Hauptfrachtführer als Absender nach den Haftungsvorschriften der §§ 425 ff. HGB. Trifft aber den Unterfrachtführer dem Hauptfrachtführer gegenüber die volle Frachtführerhaftung, so gibt es keinen sachgerechten Grund, seine Haftung gegenüber dem Empfänger als Drittbegünstigtem des Unterfrachtvertrags auszuschließen. Rechtsgrundlage dieser Haftung des Unterfrachtführers gegenüber dem Empfänger ist § 421 Abs. 1 Satz 2 HGB. Nach dieser Vorschrift kann der Empfänger die Ansprüche aus dem Frachtvertrag im eigenen Namen gegen den Frachtführer geltend machen, wenn das Gut beschädigt oder verspätet abgeliefert worden oder verlorengegangen ist. Demnach hat das KG der Klägerin zu Recht den gegenüber der Beklagten geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus § 421 Abs. 1 Satz 2, § 425 Abs. 1, § 435 HGB zuerkannt.

Aufgrund der in § 421 Abs. 1 Satz 2 HGB geregelten Rechtsstellung des Empfängers wird der Frachtvertrag allgemein als (echter) Vertrag zugunsten eines Dritten, nämlich des Empfängers, angesehen. In der Literatur wird vertreten, anders als der Hauptfrachtvertrag sei der Unterfrachtvertrag nicht notwendigerweise, sondern nur potenziell ein Vertrag zugunsten eines Dritten und insbesondere des Empfängers aus dem Hauptfrachtvertrag. Wen er begünstige, hänge allein vom Parteiwillen ab. Bei sachgerechter Auslegung werde man in aller Regel einen Direktanspruch des Empfängers auf Auslieferung und Schadensersatz gegen den Unterfrachtführer aus dem Unterfrachtvertrag verneinen müssen. Der Hauptfrachtführer sei nicht daran interessiert, dass der Unterfrachtführer das Gut im eigenen Namen beim Empfänger abliefere und seine eigene Fracht für sich einziehe.

Die Revision bringt vor, jedenfalls in der gegebenen Konstellation, in der die Parteien des Unterfrachtvertrags demselben Konzern angehörten, widerspreche es ihrem Willen, den Empfänger mit eigenen Rechten aus dem Unterfrachtvertrag auszustatten. Ein Konzern könne kein Interesse daran haben, die Rechtsverfolgung des Empfängers gegen ihn zu erleichtern. Ohne Direktanspruch aus dem Unterfrachtvertrag müsste die Klägerin die in den USA ansässige Konzernmutter als Hauptfrachtführerin nach US-amerikanischem Recht in Anspruch nehmen. Allein die Klägerin habe ein Interesse daran, dass sie die in Deutschland ansässige Beklagte als Unterfrachtführerin belangen könne, nicht aber die Konzernmutter als Partei des Unterfrachtvertrags. Hiermit kann die Revision nicht durchdringen. Da der Hauptfrachtführer mit dem Unterfrachtführer einen vollwertigen Frachtvertrag i.S.d. § 407 HGB abschließt, finden die den Frachtvertrag regelnden §§ 407 bis 450 HGB grundsätzlich auch auf den Unterfrachtvertrag Anwendung. Auch § 421 HGB, der seinem Wortlaut nach nicht zwischen Haupt- und Unterfrachtvertrag differenziert, ist daher grundsätzlich auf den Unterfrachtvertrag anwendbar.

Jedenfalls für den Fall, dass der Unterfrachtführer es - wie hier - übernommen hat, das Gut an den Empfänger abzuliefern, bestehen auch keine Besonderheiten, die einer uneingeschränkten Anwendbarkeit des § 421 Abs. 1 Satz 2 HGB auf den Unterfrachtvertrag entgegenstehen könnten. Nach § 421 Abs. 1 Satz 1 HGB ist der Empfänger nach Ankunft des Guts an der Ablieferungsstelle berechtigt, vom Frachtführer zu verlangen, ihm das Gut gegen Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Frachtvertrag abzuliefern. Dieser Ablieferungsanspruch des Empfängers, an den § 421 Abs. 1 Satz 2 HGB anknüpft, basiert auf der Annahme, dass der Frachtführer selbst das Gut bei dem Empfänger abliefert. Eine Anwendung des § 421 Abs. 1 Satz 2 HGB auf den Unterfrachtführer lässt die Norm daher jedenfalls dann zwanglos zu, wenn es der Unterfrachtführer übernommen hat, das Gut als letzter Frachtführer in einer Kette von Frachtführern beim Empfänger abzuliefern. Damit wird Letzterem auch gegenüber dem Unterfrachtführer die Rechtsstellung eines Empfängers eingeräumt. Dem Empfänger stehen aufgrund dessen nicht nur das aus dem Frachtvertrag folgende Recht auf Ablieferung, sondern auch die dieses Primärrecht sanktionierenden Sekundärrechte unmittelbar gegenüber dem abliefernden Frachtführer zu.

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