23.07.2015

Arzneimittelwerbung: Unterscheidung zwischen "klassischen" und "pflanzlichen" Antibiotika

Wird durch die Werbung mit einem rezeptfreien "pflanzlichen Antibiotikum" beim durchschnittlichen Verbraucher der unzutreffende Eindruck erweckt, es wirke gegen jedwede Bakterien und Viren und sei überdies ebenso wirksam wie ein verschreibungspflichtige "klassisches" Antibiotikum, liegt darin durch aus eine Irreführung. Allein der Hinweis auf die pflanzliche Herkunft des Mittels genügt nicht, um den Durchschnittsverbraucher annehmen zu lassen, es handele sich um ein "milderes" Arzneimittel.

OLG Celle 9.7.2015, 13 U 17/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ein Selbstkontrollorgan der pharmazeutischen Industrie in der Rechtsform des eingetragenen Vereins. Die Beklagte ist ein pharmazeutisches Unternehmen. Sie stellt u.a. ein apothekenpflichtiges Arzneimittel her, das nach den einschlägigen Fachinformationen zur Besserung von Beschwerden bei akuten entzündlichen Erkrankungen der Bronchien, Nebenhöhlen und ableitenden Harnwege zugelassen ist. Die Beklagte bewirbt das Arzneimittel als "pflanzliches Antibiotikum" gegen Bakterien und Viren und gibt im Rahmen weiterer auf der Internetseite zugänglicher Informationen unter der Überschrift "Anwendungsgebiete" dessen vorbeugende Wirkung bzw. die seiner Inhaltsstoffe gegen Infekte an.

Der Kläger hielt diese Werbung für unzulässig und irreführend, mithin für wettbewerbswidrig. Er machte geltend, die Werbung erzeuge beim Verbraucher die unzutreffende Vorstellung, das - auf der Basis der Wirkstoffe der Kapuzinerkresse und des Meerrettichs konzipierte - Produkt wirke wie die bekannten chemisch definierten Antibiotika, was jedoch nicht zutreffe, weil es - insoweit unstreitig - lediglich eine Verbesserung der Symptome und keine kausale Behandlung der Erkrankung bewirke. Zur vorbeugenden Anwendung von Infekten sei das Medikament, ebenfalls unstreitig, nicht zugelassen.

Das LG hat die begehrte einstweilige Unterlassungsverfügung erlassen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten war vor dem OLG zum Teil erfolgreich.

Die Gründe:
Zwar hatte der Kläger einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte gem. § 8 Abs. 1, § 3, § 4 Nr. 11, § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG i.V.m. § 3 S. 2 Nr. 1 und 2 lit. a) HWG in Bezug auf die Werbung hinreichend glaubhaft gemacht. Allerdings ging der Antrag in der Sache zu weit. Die Beklagte hatte mit Recht geltend gemacht, dass das Wort "insbesondere" nicht die konkrete Verletzungsform bezeichnet, sondern für ein Beispiel steht und der auf dem Antrag des Klägers beruhende landgerichtliche Unterlassungstenor im Ergebnis zu weit geht, da die Werbeaussagen danach in jedwedem Zusammenhang verboten wären.

Wird - wie im vorliegenden Fall - durch die Werbung mit einem rezeptfreien "pflanzlichen Antibiotikum" beim durchschnittlichen Verbraucher der unzutreffende Eindruck erweckt, es wirke gegen jedwede Bakterien und Viren und sei überdies ebenso wirksam wie ein verschreibungspflichtige "klassisches" Antibiotikum, liegt darin durchaus eine Irreführung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG, § 3 S. 1 Nr. 1 u. 2a) HWG. Wird mit der "vorbeugenden Wirkung" eines solchen Präparats geworben, muss dies, wenn dies nur auf bestimmte Arten von Infekten zutrifft, mit der gebotenen Klarheit zum Ausdruck kommen, damit nicht der Eindruck einer umfassenden prophylaktischen Wirkung entsteht.

Der Verbraucher wird auch eine Unterscheidung von milderen oder stärkeren Präparaten nicht ohne weiteres vornehmen, sondern sich von der plakativen Bezeichnung "Antibiotikum" leiten lassen und annehmen, dadurch werde seine Erkrankung wirksam geheilt werden können. Allein der Hinweis auf die pflanzliche Herkunft des Mittels genügt nicht, um den Durchschnittsverbraucher annehmen zu lassen, es handele sich um ein "milderes" Arzneimittel, das nur bei "harmloseren" Infekten einsetzbar ist. Er wird keine detaillierten Kenntnisse über die chemische und biologische Zusammensetzung von Arzneimitteln und Medikamenten und ihre Wirkungsweise haben. Auch der Umstand, dass das Präparat nicht verschreibungspflichtig ist, impliziert als solches nicht zwingend eine von vornherein eingeschränkte Einsetzbarkeit und Wirksamkeit.

Ein Verstoß gegen § 3a S. 2 HWG liegt aber dann nicht vor, wenn lediglich zusätzliche Wirkungen eines Arzneimittels - etwa die prophylaktische Wirkung bei bestimmten Arten von Infekten - beschrieben werden, sofern der ursächliche Zusammenhang dieser zusätzlichen Wirkungen mit der zugelassenen Indikation und das Fehlen einer eigenständigen Indikation verdeutlicht wird. Insofern ist die Werbung mit der "vorbeugenden Wirkung" des Arzneimittels nur in dem konkret verwendeten Kontext, nicht jedoch in jedwedem Zusammenhang als unzulässig anzusehen. Es ist durchaus denkbar, dass die durch Studien belegte vorbeugende Wirkung des Mittels in der vorstehend bezeichneten zulässigen Form beworben werden kann. Die Auffassung des Klägers, es dürfe nur mit zugelassenen Anwendungsgebieten geworben werden, ging fehl.

Linkhinweis:

Für den in der Rechtsprechungsdatenbank der niedersächsischen OLG veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

OLG Celle online
Zurück