12.02.2025

Bank darf bei Vorlage gefälschter Verdienstabrechnungen Darlehensvertrag fristlos kündigen

Übernimmt ein Vermittler, gleichgültig ob selbständig oder nicht, mit Wissen und Wollen einer der späteren Vertragsparteien Aufgaben, die typischerweise ihr obliegen, so wird er in ihrem Pflichtenkreis tätig und ist zugleich als ihre Hilfsperson zu betrachten. Die Übermittlung der für die Bank zur Kreditwürdigkeitsprüfung erforderlichen Angaben über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse ist eine ausschließlich im Pflichtenkreis der künftigen Darlehensnehmer liegende Aufgabe.

LG Heidelberg v. 11.2.2025, 2 O 124/24
Der Sachverhalt:
Im Juli 2022 hatten die Klägerin und ihre Tochter mit der beklagten Bank zur Finanzierung eines Immobilienkaufs einen Verbraucherdarlehensvertrag über 630.000 € abgeschlossen. In Höhe dieses Betrages wurde zu Gunsten der Beklagten eine Grundschuld bestellt. In der notariellen Urkunde unterwarfen sich die Klägerin und ihre Tochter wegen des Grundschuldkapitals der sofortigen Zwangsvollstreckung. Zudem haben sie die persönliche Haftung übernommen, aus der sie ohne vorherige Zwangsvollstreckung in das belastete Grundstück sofort in Anspruch genommen werden konnten. Letztlich haben sie sich wegen dieser persönlichen Haftung der Beklagten gegenüber der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde in ihr gesamtes Vermögen unterworfen.

Der Darlehensvertrag war durch die Vermittlung des von der Klägerin und ihrer Tochter beauftragten Ö. zustande gekommen. Vor Vertragsschluss hatte dieser bei der Beklagten u.a. eine Verdienstabrechnung der Klägerin für den Monat März 2022 eingereicht, ausweislich der diese über ein monatliches Bruttoeinkommen von 5.800 € verfüge. Die für die Tochter ausgestellte Verdienstabrechnung beinhaltete ein monatliches Bruttoeinkommen von 3.500 €. Beide Verdienstabrechnungen waren letztlich gefälscht.

Mit Schreiben vom 17.5.2023 kündigte die Beklagte den Darlehensvertrag fristlos. Zur Begründung führte sie aus, dass ihr vor Vertragsschluss unrichtige Gehaltsabrechnungen vorgelegt worden seien und sie hierdurch über die tatsächliche wirtschaftliche Situation der Darlehensnehmerinnen getäuscht worden sei. Im Zeitpunkt der Kündigungen belief sich die Forderung der Beklagten auf 624.434 €. Die Beklagte betreibt beim AG aus der o.g. vollstreckbaren notariellen Urkunde die Zwangsversteigerung. Außerdem hat sie aus der vollstreckbaren notariellen Urkunde die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen der Klägerin eingeleitet.

Hiergegen wandte sich die Klägerin. Sie und ihre Tochter hätten der Beklagten keine unrichtigen Unterlagen vorgelegt. Die gefälschten Abrechnungen und die inhaltlich teilweise unzutreffende Selbstauskunft seien ohne ihr Wissen von dem Darlehensvermittler Ö. eingereicht worden.

Das LG hat die Vollstreckungsabwehrklage abgewiesen.

Die Gründe:
Die Beklagte hat den Darlehensvertrag wirksam nach §§ 490 Abs. 3, 314 Abs. 1 BGB gekündigt, so dass das Darlehen zur Rückzahlung fällig geworden ist. Sonstige, im Rahmen des § 767 ZPO relevante Einwände gegen die von der Beklagten betriebenen Zwangsvollstreckungen in das unbewegliche und bewegliche Vermögen der Klägerin wurden von dieser nicht erhoben und waren auch sonst nicht ersichtlich.

Absichtliche Falschangaben zur Einkommens- und Vermögenssituation stellen ebenso wie das absichtliche Vorlegen gefälschter Nachweise über die Einkommens- und Vermögenssituation eine schwerwiegende Verletzung der vorvertraglichen Pflichten des Darlehensnehmers dar. Auch wenn - wie die Klägerin behauptete - der Darlehensvermittler Ö. die falschen Angaben über die Einkommensverhältnisse und Beschäftigungssituation der Darlehensnehmerinnen ohne ihr Wissen und ohne das Wissen der Tochter gemacht und die Verdienstabrechnungen ohne deren Wissen gefälscht sowie die unzutreffenden Angaben ohne das Wissen der Klägerin und der Tochter in der Selbstauskunft eingetragen haben sollte, sind dessen Handlungen der Klägerin und der Tochter gem. § 278 BGB zuzurechnen.

Übernimmt ein Vermittler, gleichgültig ob selbständig oder nicht, mit Wissen und Wollen einer der späteren Vertragsparteien Aufgaben, die typischerweise ihr obliegen, so wird er in ihrem Pflichtenkreis tätig und ist zugleich als ihre Hilfsperson zu betrachten (BGH, Urt. v. 14.11.2000 - XI ZR 336/99). Wann eine solche Einschätzung gerechtfertigt ist, lässt sich nach der BGH-Rechtsprechung nur aufgrund einer die Interessen beider Parteien wertenden Betrachtung der Einzelfallumstände entscheiden. Das Verhalten einer solchen Hilfsperson bei der Anbahnung eines Darlehensvertrages muss sich die spätere Vertragspartei gem. § 278 BGB zurechnen lassen.

Unter Berücksichtigung der von beiden Darlehensnehmerinnen unterschriebenen "Erklärung der Darlehensnehmer" hatte der Ö. mit Wissen und Wollen der Klägerin und der Tochter Aufgaben, die typischerweise ihnen oblagen, übernommen und ist damit in ihrem Pflichtenkreis tätig geworden, weshalb er als ihre Hilfsperson zu betrachten war. Denn die Übermittlung der für die Bank zur Kreditwürdigkeitsprüfung erforderlichen Angaben über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse ist eine ausschließlich im Pflichtenkreis der künftigen Darlehensnehmer liegende Aufgabe.

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Aufsatz
Aktuelle Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zum Bank- und Kapitalmarktrecht
Christian Grüneberg, WM 2025, 1

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