23.09.2020

Berechnung von im Voraus erhobenen Beiträgen zum Einheitlichen Abwicklungsfonds für 2017

Das EuG hat den Beschluss des Einheitlichen Abwicklungsausschusses über die Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge zum Einheitlichen Abwicklungsfonds für 2017 für nichtig erklärt und die teilweise Rechtswidrigkeit der Delegierten Verordnung 2015/63 festgestellt. Der Beschluss ist nicht hinreichend festgestellt und begründet. Die Berechnung der Beiträge der Landesbank Baden-Württemberg, der Hypo Vorarlberg Bank und von Portigon weist eine inhärente Intransparenz auf.

EuG v. 23.9.2020 - T-411/17 u.a.
Der Sachverhalt:
Der Einheitliche Abwicklungsausschuss (Single Resolution Board, SRB), eine im Rahmen des Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM) eingerichtete Agentur der EU, legt jährlich die im Voraus erhobenen Beiträge von rd. 3.500 Finanzinstituten zum Einheitlichen Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund, SRF) fest, der durch die Verordnung Nr. 806/2014 geschaffen wurde. Diese Beiträge werden von den nationalen Abwicklungsbehörden bei den Instituten erhoben und an den SRF übertragen.

Mit Beschluss vom 11.4.2017 legte der SRB die im Voraus erhobenen Beiträge der Institute fest, zu denen die Landesbank Baden-Württemberg (Deutschland), die Hypo Vorarlberg Bank AG (Österreich) und die Portigon AG (Deutschland) zählen. Diese wurden durch Beitragsbescheide, die von den zuständigen nationalen Abwicklungsbehörden an sie gerichtet wurden, über die Höhe ihrer Beiträge informiert. Alle drei Institute erhoben beim EuG Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses des SRB.

Das EuG gab den Klagen statt und erklärte den Beschluss des SRB für nichtig, soweit er die Landesbank Baden-Württemberg, die Hypo Vorarlberg Bank und Portigon betrifft.

Die Gründe:
Obwohl die Beschlüsse des SRB über die Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge zum SRF gemäß den anwendbaren Vorschriften an die nationalen Abwicklungsbehörden gerichtet sind, sind die beitragspflichtigen Institute zweifellos von diesen Beschlüssen unmittelbar und individuell betroffen. Daraus folgt, dass die Landesbank Baden-Württemberg, die Hypo Vorarlberg Bank und Portigon befugt sind, eine Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss des SRB zu erheben. Der SRB hat keinen Beweis für die Feststellung des Anhangs seines Beschlusses erbracht. Dieser Anhang ist ein elektronisches Dokument, das die Beträge der im Voraus erhobenen Beiträge enthält und daher einen wesentlichen Bestandteil des Beschlusses darstellt. Der SRB hat jedoch keine Fassung des Anhangs vorgelegt, die mit einer elektronischen Unterschrift versehen ist, obwohl dieser Anhang mit dem von der Vorsitzenden des SRB eigenhändig unterzeichneten Text des angefochtenen Beschlusses nicht untrennbar verbunden ist. Der Beschluss des SRB ist somit nicht hinreichend festgestellt.

Der Beschluss des SRB ist zudem nicht ausreichend begründet. Die jedem der klagenden Institute zur Verfügung gestellte Begründung enthält kein den rd. 3.500 anderen Instituten spezifisches Berechnungselement, obwohl die Berechnung seines Beitrags zum einen impliziert, dass die Höhe seiner Verbindlichkeiten (ohne Eigenmittel und gedeckte Einlagen) zur Gesamtsumme der Verbindlichkeiten (ohne Eigenmittel und gedeckte Einlagen) aller anderen Institute ins Verhältnis gesetzt wird, und zum anderen, dass sein Risikoprofil im Verhältnis zu den Risikoprofilen dieser anderen Institute nach den vorgesehenen Indikatoren bewertet wird.

Die Vertraulichkeit der Daten der rd. 3.500 anderen Institute ist zwar nicht in Frage zu stellen; die Berechnung der Beiträge der Landesbank Baden-Württemberg, der Hypo Vorarlberg Bank und von Portigon weist jedoch eine inhärente Intransparenz auf, da sie im Wege einer wechselseitigen Abhängigkeit auf diesen Daten beruht. Diese Institute sind anhand der ihnen gegebenen Begründung nicht in der Lage, die Höhe ihrer Beiträge zu überprüfen, obwohl es sich dabei um den entscheidenden Bestandteil des Beschlusses des SRB handelt, soweit er sie betrifft. Die Begründung versetzt diese Institute in eine Position, in der sie nicht wissen können, ob dieser Betrag korrekt berechnet wurde oder ob sie ihn vor dem Gericht anfechten sollen, obwohl sie, wie es von ihnen gleichwohl im Rahmen einer Klage verlangt wird, weder hinsichtlich dieses Betrags die beanstandeten Punkte des Beschlusses des SRB bezeichnen noch insoweit Rügen formulieren und Beweise oder zumindest ernsthafte Indizien für deren Begründetheit beibringen können.

Hinsichtlich der Landesbank Baden-Württemberg ist festzustellen, dass der Verstoß gegen die Begründungspflicht für den Teil der Berechnung des im Voraus erhobenen Beitrags, der die Anpassung entsprechend dem Risikoprofil betrifft, durch die von der Landesbank Baden-Württemberg im Wege der Einrede zu Recht geltend gemachte teilweise Rechtswidrigkeit der Delegierten Verordnung 2015/634 verursacht wird. Da der SRB keinen neuen Beschluss erlassen kann, ohne erneut gegen die Begründungspflicht und das Recht der Landesbank Baden-Württemberg auf effektiven Rechtsschutz zu verstoßen, solange der rechtliche Rahmen, insbesondere die Delegierte Verordnung 2015/63, nicht geändert wurde, werden die Wirkungen des Beschlusses des SRB, soweit er die Landesbank Baden-Württemberg betrifft, während eines Zeitraums von sechs Monaten ab dem Tag der Rechtskraft des vorliegenden Urteils aufrecht erhalten.
EuG PM Nr. 115 vom 23.9.2020
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