12.11.2013

BGH erleichtert Rückzug von der Börse

Bei einem Widerruf der Zulassung der Aktie zum Handel im regulierten Markt auf Veranlassung der Gesellschaft haben die Aktionäre keinen Anspruch auf eine Barabfindung. Der BGH hat seine Rechtsprechung, dass das reguläre Delisting eines Beschlusses der Hauptversammlung und eines Pflichtangebots über den Kauf der Aktien bedarf, aufgrund der BVerfG-Entscheidung vom 11.7.2012  aufgegeben.

BGH 8.10.2013, II ZB 26/12
Der Sachverhalt:
Die Antragsteller sind Aktionäre der Antragsgegnerin, einer AG. Mit einer Ad-hoc-Meldung vom 11.2.2011 hatte die AG den vom Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats beschlossenen Wechsel vom regulierten Markt der Wertpapierbörse in Berlin in den Entry Standard des Freiverkehrs (Open Market) der Frankfurter Wertpapierbörse bekannt gegeben. Am 16.2.2011 wurde der Widerruf der Zulassung am regulierten Markt wirksam. Seitdem sind die Aktien der AG in den Entry Standard einbezogen.

Mit ihren am 9.5.2011 bzw. 16.5.2011 eingegangenen Anträgen forderten die Antragsteller ein Spruchverfahren zur Festlegung einer angemessenen Barabfindung. LG und OLG wiesen die Anträge als unzulässig zurück. Auch die Rechtsbeschwerden der Antragsteller blieben vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Es war kein Spruchverfahren zur Ermittlung einer Barabfindung durchzuführen. Bei einem Widerruf der Zulassung der Aktie zum Handel im regulierten Markt auf Veranlassung der Gesellschaft gem. § 39 Abs. 2 BörsenG haben die Aktionäre keinen Anspruch auf eine Barabfindung. Es bedarf weder eines Beschlusses der Hauptversammlung noch eines Pflichtangebotes. Schließlich führt der Widerruf nicht zu einer Beeinträchtigung des Aktieneigentums.

Zwar war der BGH lange Zeit davon ausgegangen, dass für die Minderheits- und Kleinaktionäre der Wegfall des Handels im regulierten Markt wirtschaftlich gravierende Nachteile mit sich bringt, die auch nicht durch die Einbeziehung der Aktien in den Freihandel ausgeglichen werden können, und dass daher der verfassungsrechtliche Schutz des Aktieneigentums der Minderheitsaktionäre gebietet, dass ihnen mit dem Beschlussantrag an die Hauptversammlung, die über den Widerruf der Börsenzulassung zu entscheiden hat, ein Pflichtangebot über den Kauf ihrer Aktien durch die Gesellschaft oder ihren Großaktionär vorzulegen ist (BGH-Urt. v. 25.11.2002, Az.: II ZR 133/01). Allerdings wurde dieser Rechtsprechung durch die Entscheidung des BVerfG, nach der der Widerruf der Börsenzulassung für den regulierten Markt den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts des Aktionärs nicht berührt (BVerfG 11.7.2012 - 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08), die Grundlage entzogen.

Das BVerfG hat entschieden, dass das für den Fall eines vollständigen Rückzugs von der Börse von den Fachgerichten im Wege einer Gesamtanalogie verlangte, gerichtlich überprüfbare Pflichtangebot der Gesellschaft oder ihres Hauptaktionärs an die übrigen Aktionäre, deren Aktien zu erwerben, von Verfassungs wegen zwar nicht geboten ist, die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung aber auch nicht überschreitet. Es hat es der weiteren Rechtsprechung der Fachgerichte überlassen, auf der Grundlage der mittlerweile gegebenen Verhältnisse im Aktienhandel zu prüfen, ob die bisherige Spruchpraxis Bestand hat, und zu beurteilen, wie der Wechsel vom regulierten Markt in den qualifizierten Freiverkehr in diesem Zusammenhang zu bewerten ist.

Der BGH hat nun seine Rechtsprechung, dass das reguläre Delisting eines Beschlusses der Hauptversammlung und eines Pflichtangebots über den Kauf der Aktien bedarf, aufgrund der danach gebotenen Überprüfung aufgegeben.

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BGH PM Nr. 185 v. 12.11.2013
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