07.11.2023

Bundesminister darf auf Social Media Nutzer blockieren

Privat betriebene Social Media-Accounts eines Bundesministers stellen keine virtuelle öffentliche Einrichtung dar. Die Abgrenzung zwischen privatem und hoheitlichem Social Media-Account erfordert eine umfassende Würdigung des konkreten Accounts, wobei insbesondere auf dessen Inhalt, Form und den äußeren Zusammenhang der auf ihm getätigten Äußerungen abzustellen ist; entscheidend sind hierbei nicht die einzelnen Beiträge, sondern das Gesamtgepräge des ganzen Accounts.

AG Berlin-Mitte v. 19.10.2023 - 151 C 167/23 eV
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller ist ein in der Schweiz akkreditierter Journalist, der ein Redaktionsbüro für die Belieferung deutschsprachiger Medien mit tagesaktuellen Inhalten betreibt. Er besitzt außerdem auf der Social Media-Plattform X (ehemals Twitter) einen Account, dem ca. 24.000 Nutzer folgen. Die dortigen Beiträge sind jedoch auch für nicht angemeldete Personen sichtbar und über einen eigenen Link erreichbar.

Der Antragsgegner ist Universitätsprofessor und seit Dezember 2021 Bundesminister der Gesundheit. Er betreibt ebenfalls einen Account auf der Social Media- Plattform X. Dieser Account ist seit Dezember 2015 als verifiziert gekennzeichnet und weist den Hinweis "Dieser Account ist verifiziert, weil es sich um einen staatlichen Account oder den einer multilateralen Organisation handelt" auf; diese Verifizierung ist ohne Mitwirkung des Antragsgegners erfolgt.

Mit seitens der Parteien nicht näher vorgetragenem Wortlaut hatte der Antragsteller auf der Seite des Antragsgegners im Februar 2022 Beiträge im Zusammenhang mit staatlichen Corona-Maßnahmen sowie deren beabsichtigte Verlängerung bzw. Ausweitung kommentierte. Am 15.2.2023 bemerkte der Antragsteller, dass beim Aufrufen des Accounts des Antragsgegners der Hinweis "Du bist blockiert" erschien und er Beiträge nunmehr weder lesen, noch kommentieren oder teilen konnte. Auf eine Abmahnung des Antragstellers erwiderte das Bundesministerium für Gesundheit, dass der Account des Antragsgegners rein privater Natur sei.

Der Antragsteller war der Ansicht, seine Kommentare auf der Seite des Antragsgegners seien von der Meinungsfreiheit gedeckt - der Verweis auf sog. "Hate Speech" stelle reine Willkür dar. Die Blockade des Antragsgegners als Teil der Exekutive verletzte ihn zudem in seinen Grundrechten, insbesondere stelle dies einen Eingriff in seine Meinungsfreiheit, seine Pressefreiheit und sein Recht auf gleiche Teilhabe an öffentlichen Leistungen und Einrichtungen dar.

Das AG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Gründe:
Dem Antragsteller steht der gegen den Antragsgegner geltend gemachte materiell-rechtliche (Verfügungs-)Anspruch auf Zugang zu dessen Account bzw. Unterlassung der fortwährenden Blockade seines eigenen Accounts nicht zu.

Ein solcher Zugangsanspruch ergab sich hier insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt eines diskriminierungsfreien Zugangs zu sog. öffentlichen Einrichtungen. Eine solche öffentliche Einrichtung wird gemeinhin definiert, als eine Zusammenfassung personeller und sachlicher Mittel, die ein Träger öffentlicher Verwaltung in Erfüllung einer in seinen Wirkungskreis fallenden Aufgabe einem bestimmten Kreis der Öffentlichkeit durch (ausdrückliche oder schlüssige) Widmung im Rahmen ihres Nutzungszwecks zur Benutzung zur Verfügung stellt. Nach h.M. in Rechtsprechung und Literatur erfüllen etwa von Behörden betriebene, staatliche Social Media-Accounts diese Anforderungen.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers handelt es sich beim Account des Antragsgegners indes nicht um einen hoheitlichen Account i.S.e. öffentlichen Einrichtung. Die Abgrenzung zwischen privatem und hoheitlichem Social Media-Account erfordert eine umfassende Würdigung des konkreten Accounts, wobei insbesondere auf dessen Inhalt, Form und den äußeren Zusammenhang der auf ihm getätigten Äußerungen abzustellen ist; entscheidend sind hierbei nicht die einzelnen Beiträge, sondern das Gesamtgepräge des ganzen Accounts. Der Antraggegner greift im Hinblick auf den Account auf keine ihm allein wegen der Eigenschaft als Bundesminister zur Verfügung stehenden Ressourcen zurück. Schließlich vermochte auch die Verifizierung dem Antrag nicht zum Erfolg zu verhelfen. Zum einen erfolgte die Verifizierung ohne ein Zutun des Antragsgegners und zum anderen steht diese Möglichkeit gerade nicht nur Trägern hoheitlicher Gewalt bzw. Mitgliedern der Exekutive in gerade dieser Funktion, sondern auch jedem "einfachen" Mitglied des Deutschen Bundestages offen.

Ansonsten besteht kein genereller Anspruch auf Zugang zu einem privat betriebenen Social Media-Account. Ein solcher kann auch nicht aus einer mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte abgeleitet werden; vielmehr genießt das Entfernen unliebsamer Kommentare Dritter sowie das Blockieren anderer Nutzer in diesem Falle seinerseits grundrechtlichen Schutz. Die Nutzungsbedingungen sind bei der erstmaligen Benutzung der Plattform einsehbar und müssen auch von jedermann akzeptiert werden.

Mehr zum Thema:

Voraussetzungen des Auslistungsanspruchs gegenüber Internet-Suchmaschine
BGH vom 23.5.2023 - VI ZR 476/18
Markus Rössel, AfP 2023, 324

Aufsatz:
Rechtsdurchsetzung von "meldenden Personen" gegenüber Online-Plattformen nach dem DSA
Johanna Götz, CR 2023, 450

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