26.07.2011

Die Belastung eines Grundstücks mit einer keine Forderung sichernden Fremdgrundschuld ist eine Vermögensverschwendung (§ 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO)

Die Belastung eines Grundstücks mit einer Fremdgrundschuld, die keine Forderung sichert, stellt eine Vermögensverschwendung dar. Dies gilt unabhängig davon, ob die Belastung nach dem AnfG, nach den Vorschriften der InsO oder nach Bereicherungsrecht rückgängig gemacht werden könnte oder der Schuldner davon ausgehen kann, der Dritte werde die Grundschulden ggf. als Drittsicherheit zur Verfügung stellen.

BGH 30.6.2011, IX ZB 169/10
Der Sachverhalt:
Der Schuldner war Eigentümer eines mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebauten Grundstücks. Im Jahre 2005 bestellte er zugunsten seiner damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau, die keine Forderungen gegen ihn hatte, zwei Grundschulden i.H.v. je 250.000 €, die im April 2005 eingetragen wurden. Das Grundstück war zu diesem Zeitpunkt nicht wertausschöpfend belastet; die vorrangigen Grundpfandrechte valutierten nur noch i.H.v. etwa 22.000 €.

Im Januar 2006 beantragte der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen, die Stundung der Verfahrenskosten sowie Restschuldbefreiung. Im Mai 2006 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zu 3) zum Insolvenzverwalter bestellt. Im Schlusstermin beantragten die weiteren Beteiligten zu 1) und zu 2), die erste Ehefrau und die minderjährige Tochter des Schuldners (fortan: Gläubigerinnen), die Versagung der Restschuldbefreiung, weil der Schuldner durch Leistung einer Zahlung auf fremde Schuld und durch die Bestellung zweier Grundschulden Vermögen verschwendet habe sowie seinen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei.

Das Insolvenzgericht - AG - wies den Antrag wegen fehlender Glaubhaftmachung ab. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerinnen blieb vor dem LG erfolglos. Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerinnen hob der BGH den Beschluss des LG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
Die Begründung, mit welcher das LG hinsichtlich der Eintragung der Grundschulden den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO für nicht erfüllt erachtet hat, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Die Belastung eines Grundstücks zugunsten eines Dritten, dem keine zu sichernde Forderung gegen den Schuldner zusteht, stellt unabhängig davon eine Vermögensverschwendung dar, ob die Belastung nach dem AnfG, nach den Vorschriften der InsO oder nach Bereicherungsrecht rückgängig gemacht werden könnte oder der Schuldner davon ausgehen kann, der Dritte werde die Grundschulden ggf. als Drittsicherheit zur Verfügung stellen.

Eine Verschwendung i.S.v. § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO ist auch dann anzunehmen, wenn Werte außerhalb einer sinnvollen und nachvollziehbaren Verhaltensweise verbraucht werden oder Ausgaben im Verhältnis zum Gesamtvermögen und dem Einkommen des Schuldners als grob unangemessen und wirtschaftlich nicht nachvollziehbar erscheinen. Auch die schenkweise Hergabe von Vermögensgegenständen ohne nachvollziehbaren Anlass kommt als Verschwendung in Betracht.

Vorliegend hat der Schuldner das Grundstück zugunsten seiner jetzigen Ehefrau belastet. Nur diese kann nunmehr über die Grundschulden verfügen, sie etwa als Sicherheit für ein neu aufzunehmendes Darlehen oder als Gegenleistung für die Stundung einer Forderung zur Verfügung stellen. Der Schuldner selbst ist nicht mehr verfügungsbefugt. Dass die Weggabe des Vermögensgegenstandes anfechtbar ist, schließt die Annahme einer "Verschwendung" nicht aus. Schenkungen, die nicht nur gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke von geringem Wert darstellen, sind nach § 4 AnfG oder § 134 InsO anfechtbar, können nach dem oben Gesagten aber durchaus unter den Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO fallen, weil sich das Vermögen des Schuldners hierdurch verringert hat.

Ob die Zuwendung kondiziert werden kann, was hier im Hinblick auf § 814 BGB durchaus in Frage steht, ist ebenfalls unerheblich. Ein Schuldner, der Restschuldbefreiung beantragen will, mag die sein Vermögen mindernde Verfügung rückgängig machen, wenn dies noch möglich ist, um sich nicht dem Vorwurf der Vermögensverschwendung auszusetzen; tut er dies nicht, bleibt es also bei der Vermögenseinbuße, hat er die Folge - die (mögliche) Versagung der Restschuldbefreiung - hinzunehmen.

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