02.01.2023

EuGH zur Werbung für Arzneimittel

Die lettische Regelung, die Werbung für Arzneimittel verbietet, die sich auf die Preise, auf Sonderangebote oder auf kombinierte Verkäufe von Arzneimitteln zusammen mit anderen Waren bezieht, ist mit dem Unionsrecht vereinbar. Solche Werbeinhalte fördern den unzweckmäßigen Einsatz von Arzneimitteln und müssen von den Mitgliedstaaten verboten werden.

EuGH v. 22.12.2022 - C-530/20
Der Sachverhalt:
Die Richtlinie 2001/83 harmonisiert die Bestimmungen über die Arzneimittelwerbung, indem sie diese Werbung Bedingungen, Beschränkungen und Verboten zum Schutz der öffentlichen Gesundheit unterwirft.

Die SIA "EUROAPTIEKA" ist eine lettische Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die eine pharmazeutische Tätigkeit in Lettland ausübt. Im Jahr 2016 untersagte ihr die lettische Gesundheitsaufsichtsbehörde auf der Grundlage einer nationalen Vorschrift, die Werbung für Arzneimittel verbietet, die sich auf die Preise, auf Sonderangebote oder auf kombinierte Verkäufe von Arzneimitteln zusammen mit anderen Waren bezieht, die Verbreitung von Werbung im Zusammenhang mit einem Aktionsverkauf von Arzneimitteln. Im Jahr 2020 erhob "EUROAPTIEKA" beim lettischen Verfassungsgerichtshof eine Verfassungsbeschwerde, mit der die Rechtmäßigkeit dieser nationalen Vorschrift im Hinblick auf die Richtlinie 2001/83 in Frage gestellt wurde.

Dieses Gericht fragt den Gerichtshof nach der Auslegung des Begriffs "Werbung für Arzneimittel" im Sinne dieser Richtlinie und möchte insbesondere wissen, ob dieser Begriff auch Werbung für unbestimmte Arzneimittel umfasst, d. h. Werbung, die sich auf Arzneimittel im Allgemeinen oder auf eine Gesamtheit von nicht identifizierten Arzneimitteln bezieht. Es stellt dem Gerichtshof ferner die Frage, ob das in der fraglichen nationalen Vorschrift vorgesehene Verbot der preisbezogenen Werbung und der Werbung für Sonderangebote oder für kombinierte Verkäufe von Arzneimitteln zusammen mit anderen Waren mit dieser Richtlinie vereinbar ist.

Nach Auffassung des Gerichtshofs leistet die preisbezogene Werbung und die Werbung für Sonderangebote oder für kombinierte Verkäufe zusammen mit anderen Arzneimitteln oder Waren daher der unzweckmäßigen und übermäßigen Verwendung von nicht verschreibungspflichtigen und nicht erstattungsfähigen Arzneimitteln Vorschub. Die bei dem vorlegenden Gericht in Rede stehende nationale Vorschrift, die die Verbreitung solcher Werbeinhalte verbietet, ist folglich mit der Richtlinie 2001/83 vereinbar.

Die Gründe:
In seinem Urteil weist der Gerichtshof (Große Kammer) zunächst darauf hin, dass der Begriff "Werbung für Arzneimittel" alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch eines bestimmten Arzneimittels oder unbestimmter Arzneimittel zu fördern, erfasst.

Dieser Begriff ist nämlich in der Richtlinie 2001/83 sehr weit definiert als "alle Maßnahmen" zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen einschließlich insbesondere der "Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel".

Im Übrigen würde, wenn die Werbung für unbestimmte Arzneimittel vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/83 ausgenommen wäre, den Verboten, Bedingungen und Einschränkungen auf dem Gebiet der Werbung, die die Richtlinie aufgrund der Risiken, die mit einer übermäßigen oder unvernünftigen Verwendung von Arzneimitteln verbunden sein können, vorsieht, weitgehend ihre praktische Wirksamkeit genommen, und das wesentliche Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, das diese Richtlinie verfolgt, weitgehend beeinträchtigt.

Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof der Ansicht, dass die Verbreitung von Informationen, die den Kauf von Arzneimitteln fördern, indem die Notwendigkeit eines solchen Kaufs anhand des Preises gerechtfertigt wird, ein Sonderverkauf angekündigt wird oder angegeben wird, dass ein kombinierter Verkauf zusammen mit anderen Arzneimitteln oder Waren erfolgt, wie die von der vor dem vorlegenden Gericht angefochtenen nationalen Vorschrift verbotene, ein Werbeziel hat. Diese Verbreitung von Informationen fällt daher unter den Begriff "Werbung für Arzneimittel", und zwar auch dann, wenn sich die Informationen auf unbestimmte Arzneimittel beziehen.

Was sodann die Vereinbarkeit einer solchen nationalen Vorschrift mit der Richtlinie 2001/83 angeht, stellt der Gerichtshof fest, dass Werbung für nicht verschreibungspflichtige und nicht erstattungsfähige Arzneimittel, auf die diese nationale Vorschrift konkret abzielt, nach dieser Richtlinie grundsätzlich zulässig ist. Trotzdem müssen die Mitgliedstaaten, um Gefahren für die öffentliche Gesundheit zu verhindern, Werbeinhalte verbieten, die den unzweckmäßigen Einsatz solcher Arzneimittel fördern könnten.

Der Gerichtshof führt hierzu aus, dass die Werbung für nicht verschreibungspflichtige und nicht erstattungsfähige Arzneimittel einen besonders großen Einfluss auf die Prüfung und die Entscheidung des Endverbrauchers ausüben kann, und zwar sowohl was die Qualität des Arzneimittels betrifft als auch hinsichtlich der zu kaufenden Menge. Außerdem ist die preisbezogene Werbung und die Werbung für Sonderangebote oder für kombinierte Verkäufe von Arzneimitteln zusammen mit anderen Waren geeignet, die Verbraucher über ein wirtschaftliches Kriterium dazu zu veranlassen, diese Arzneimittel zu kaufen und einzunehmen, ohne eine sachliche Prüfung anhand der therapeutischen Eigenschaften der Arzneimittel und des konkreten medizinischen Bedarfs vorzunehmen. Im Übrigen stellen solche Werbeinhalte Arzneimitteln mit anderen Verbrauchswaren gleich, bei denen im Allgemeinen Preisnachlässe und -ermäßigungen gewährt werden.

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