13.06.2014

Gewinnspiel: Datenerhebung bei Minderjährigen zu Werbezwecken ist unzulässig

Eine gesetzliche Krankenkasse verstößt gegen das Verbot, die geschäftliche Unerfahrenheit von Jugendlichen auszunutzen, wenn sie im Zusammenhang mit der Durchführung eines Gewinnspiels von den jugendlichen Teilnehmern (hier: im Alter zwischen 15 und 17 Jahren) personenbezogene Daten erhebt, um diese zu Werbezwecken zu nutzen. Maßgeblich ist, ob sich der Umstand, dass Minderjährige typischerweise noch nicht in ausreichendem Maße in der Lage sind, Waren oder Dienstleistungsangebote kritisch zu beurteilen, auf die Entscheidung für ein unterbreitetes Angebot auswirken kann.

BGH 22.1.2014, I ZR 218/12
Der Sachverhalt:
Die beklagte gesetzliche Krankenkasse hatte im Juni 2011 an der Nordjob-Messe in Kiel teilgenommen, die sich vor allem an Schüler richtete und dazu diente, den Besuchern Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten vorzustellen. Sie verteilte während der Messe Teilnahmekarten für ein Gewinnspiel. Die Teilnehmer mussten dafür ihre persönlichen Daten preisgeben. Auf der Rückseite der mit "Gewinnkarte" bezeichneten Teilnahmekarte war zudem vorformuliert, dass sich der Teilnehmer damit einverstanden erklärt, von der Beklagten telefonisch, schriftlich, per E-Mail oder per SMS Werbung zu erhalten.

Die Klägerin war die Verbraucherzentrale NRW. Sie hatte in der Erhebung der persönlichen Daten der Teilnehmer am Gewinnspiel einen Verstoß gegen § 4 Nr. 2 UWG gesehen und die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Die Beklagte verpflichtete sich daraufhin, es zu unterlassen, eine an Minderjährige zwischen 15 und 18 Jahren gerichtete Werbung zur Teilnahme an einem Gewinnspiel einzusetzen.

Die Klägerin war der Ansicht, die Unterlassungserklärung reiche nicht aus. Sie erfasse nicht die Fallkonstellation, dass die Beklagte die geschäftliche Unerfahrenheit der (minderjährigen) Verbraucher ausnutze. Das LG wies die Unterlassungsklage ab; das OLG gab ihr statt. Die Revision der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Das Unterlassungsbegehren der Klägerin gem. § 8 Abs. 1 u. 3 Nr. 3, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 2 UWG war begründet.

Die Beklagte hatte zu Unrecht in Zweifel gezogen, dass es sich bei der von der Klägerin beanstandeten Erhebung von Daten seitens der Beklagten um eine geschäftliche Handlung eines Unternehmers i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 u. 6 UWG handele. Entgegen ihrer Ansicht stand eine Anwendung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 u. 6 UWG nicht in Widerspruch zu Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 2b und d der Richtlinie 2005/29/EG, auch wenn es sich bei der Beklagten um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handelte, die Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung erfüllt.

Ohne Erfolg wandte sich die Beklagte zudem gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Wettbewerbswidrigkeit des beanstandeten Verhaltens der Beklagten sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Datenerhebung gesetzlich zulässig sei. Denn im vorliegenden Fall ging die Erhebung der personenbezogenen Daten weit über den Umfang hinaus, der für die Durchführung des Gewinnspiels erforderlich war. Zudem war Gegenstand des Unterlassungsantrags allein die Erhebung der Daten zu Werbezwecken, also zu Zwecken, die jenseits der Teilnahme am Gewinnspiel selbst und seiner Abwicklung lagen. Das Erheben von Daten zu solchen "überschießenden" Zwecken wird in § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG nicht für zulässig erklärt.

Erfolglos blieben schließlich auch die Angriffe der Beklagten gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe gegen die Beklagte gem. § 8 Abs. 1 u. 3 Nr. 3, §§ 3, 4 Nr. 2 UWG einen Anspruch auf Unterlassung, die Daten der 15 bis 17-jährigen Teilnehmer an dem in Rede stehenden Gewinnspiel zu erheben, wenn dies mittels der in Rede stehenden Gewinnkarte geschieht. Zwar ist nicht jede gezielte Beeinflussung von Minderjährigen unlauter. Die konkrete Handlung muss vielmehr geeignet sein, die Unerfahrenheit auszunutzen. Maßgeblich ist, ob sich der Umstand, dass Minderjährige typischerweise noch nicht in ausreichendem Maße in der Lage sind, Waren oder Dienstleistungsangebote kritisch zu beurteilen, auf die Entscheidung für ein unterbreitetes Angebot auswirken kann.

Hiervon ausgehend hatte das Berufungsgericht aber mit Recht angenommen, dass die Datenerhebung in der konkret durchgeführten Art und Weise geeignet war, die geschäftliche Unerfahrenheit von Jugendlichen auszunutzen. Es hatte nämlich rechtsfehlerfrei festgestellt, dass Jugendliche im Alter zwischen 15 und 17 Jahren noch nicht die nötige Reife besitzen, die Tragweite einer Einwilligungserklärung zur Datenspeicherung und Datenverwendung zu Werbezwecken abzusehen.

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