05.01.2023

Hemmung der Verjährung des Gesamtschuldnerausgleichsanspruchs zwischen Kartellanten

Die Verjährung eines Gesamtschuldnerausgleichsanspruchs, für den die Regelung §§ 33d Abs. 2, 33h Abs. 7 GWB n.F. nicht gilt, kann vor dem gesetzlichen Forderungsübergang gem. § 426 Abs. 2 BGB nicht durch die Erhebung der Feststellungsklage eines Kartellanten gegen einen anderen Kartellanten gehemmt werden.

OLG Frankfurt a.M. v. 6.12.2022 - 11 U 149/21 (Kart)
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind auf dem Gebiet der Herstellung und des Vertriebs von Lebensmittelverpackungen tätig. Die Klägerinnen zu 1) und 2) stellen solche Verpackungen her, die Klägerin zu 3) ist deren Muttergesellschaft. Mit Entscheidung vom 24.6.2015 (nachfolgend "Entscheidung"), die am selben Tag Gegenstand einer Pressemitteilung war, belegte die EU-Kommission acht Hersteller und zwei Vertreiber von Verpackungen für den Einzelhandel mit einer Geldbuße, weil sie jeweils an mindestens fünf separaten Kartellen beteiligt waren. Das Verfahren, das zu der Entscheidung führte, war am 4.6.2008 eingeleitet worden. Gegen die Entscheidung legten die Klägerinnen Rechtsmittel ein, das mit Urteil vom 22.10.2020 zurückgewiesen wurde. Die Beklagte legte gegen die Entscheidung kein Rechtsmittel ein.

Nach den Feststellungen der Entscheidung waren die Klägerinnen u.a. vom 30.6.2002 bis 29.10.2007 an dem X-Kartell beteiligt. Die Beklagte war vom 13.6.2002 bis 12.3.2007 an diesem Kartell beteiligt. Im Hinblick darauf stehen vorliegend Regressansprüche zwischen den Parteien im Streit. Die Klägerinnen forderten die Beklagte erfolglos auf, in Bezug auf Ansprüche auf Gesamtschuldnerausgleich wegen der Inanspruchnahme seitens Kartellgeschädigter auf die Erhebung der Einrede der Verjährung zu verzichten. Sie haben sodann gegen die Beklagte im Mai 2020 die hiesige Feststellungsklage erhoben. Kurz darauf wurden die Klägerinnen zu 1) und zu 2) - neben weiteren Unternehmen - von potenziell Geschädigten des X-Kartells in Rechtsstreiten vor dem LG Köln (Klageerhebung dort: im Jahr 2020) und dem LG Hannover (Klageerhebung dort: im Jahr 2021) gesamtschuldnerisch auf Schadenersatz wegen ihrer Beteiligung am X-Kartell in Anspruch genommen. In dem Rechtsstreit vor dem LG Köln hat eine dortige weitere Beklagte sämtlichen hiesigen Klägerinnen am 22.4.2021 den Streit verkündet.

Die Klägerinnen waren der Ansicht, es bestehe ein Feststellungsinteresse für die begehrte Feststellung der Gesamtschuldnerausgleichspflicht der Beklagten. Es drohe die Gefahr, dass sie, die Klägerinnen, im Außenverhältnis den vollen, auch den auf die Beklagte im Innenverhältnis entfallenden Schaden gegenüber geschädigten Abnehmern tragen müssten, da potentielle Ansprüche geschädigter Abnehmer gegenüber den Klägerinnen später verjährten, da sie, die Klägerinnen, gegen die Entscheidung Rechtsmittel eingelegt hatten. Gleichzeitig bestehe die Gefahr, dass sie, die Klägerinnen, gegenüber der Beklagten wegen der Verjährung der Regressansprüche keinen Rückgriff im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs nehmen könnten.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Die Klägerinnen können nicht die Feststellung verlangen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihnen anteilig Ausgleich zu leisten, der sich daraus ergibt, dass die Klägerinnen aufgrund ihrer Beteiligung am X-Kartell über ihren Verantwortungsteil im Innenverhältnis hinaus auf Zahlung von Kartellschadenersatz in Anspruch genommen werden. Die Klage hat weder im Hinblick auf einen Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB Erfolg, noch im Hinblick auf einen Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 2 BGB.

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den Klägerinnen gem. § 426 Abs. 1 BGB anteilig Ausgleich dafür zu leisten, dass die Klägerinnen wegen ihrer Beteiligung am X-Kartell über ihre Anteile im Innenverhältnis hinaus auf Zahlung von Kartellschadenersatz von möglichen Geschädigten in Anspruch genommen werden, da der Anspruch verjährt ist. Auf die Verjährung finden die mit der 9. GWB-Novelle eingeführten §§ 33d Abs. 2, 33h Abs. 7 GWB keine Anwendung (§ 187 Abs. 3 GWB). Der originäre Ausgleichsanspruch der Klägerinnen gegenüber der Beklagten gem. § 426 Abs. 1 BGB ist gem. §§ 195, 199 BGB jedenfalls Ende 2018 und damit vor Erhebung der hiesigen Feststellungsklage verjährt.

Zwar findet § 33 Abs. 5 GWB 2005 zeitlich auf etwaige Schadenersatzansprüche Anwendung, die ihre Grundlage in Kartellverstößen haben, die vor dem Inkrafttreten der Norm begangen wurden, im Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 33 Abs. 5 GWB 2005 aber noch nicht verjährt waren. Doch ist § 33 Abs. 5 GWB 2005, der die Verjährung von Schadenersatzansprüchen zum Gegenstand hat, nicht auf Gesamtschuldnerausgleichsansprüche entsprechend anwendbar. Es besteht bereits keine Regelungslücke, da der Gesamtschuldnerausgleich bereits vor der 9. GWB-Novelle abschließend und umfassend durch §§ 830, 840ff., 421ff. BGB geregelt war. Es gelten die allgemeinen Verjährungsregelungen.

Die Klage hat ebenso keinen Erfolg, soweit die Klägerinnen das Bestehen von Ansprüchen auf Gesamtschuldnerausgleich gemäß § 426 Abs. 2 BGB festgestellt wissen wollten. Die Klage ist unzulässig, da das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) fehlt. Die Klägerinnen begründeten das erforderliche Feststellungsinteresse in erster Linie damit, dass sie ein berechtigtes Interesse hätten, die Verjährung ihrer Ansprüche auf Gesamtschuldnerausgleich gem. § 426 Abs. 2 BGB gegen die Beklagte durch die hiesige Klage zu hemmen. Hieraus konnten die Klägerinnen das Feststellungsinteresse allerdings nicht herleiten. Denn sie konnten durch die hiesige Feststellungsklage vor Übergang der Forderungen etwaiger Abnehmer auf sie die Verjährung des Ausgleichsanspruchs gem. § 426 Abs. 2 BGB iVm § 823 Abs. 2 BGB iVm Art. 81 EGV bzw. § 33 ff. GWB nicht gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen. Die Klage eines Nichtberechtigten hemmt nicht gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährung. Der nachträgliche Erwerb des Rechts durch den als Nichtberechtigten Klagenden führt die Hemmung der Verjährung (erst) ex nunc herbei.

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