22.05.2013

Inhaber von Fallschirmsportschulen können auch Versicherungsschutz für verunfallte Passagiere beanspruchen

Bei einem Absetzflug beschränkt sich der Versicherungsschutz gerade nicht auf die abzusetzenden Fallschirmspringer, sondern er erfasst auch die Beförderung eines Passagiers. Infolgedessen kann der Inhaber einer Fallschirmsportschule von der beklagten Versicherung Versicherungsschutz für einem mit seinem Luftfahrzeug verunfallten Passagier verlangen.

OLG Hamm 26.4.2013, 20 U 201/12
Der Sachverhalt:
Der Kläger betreibt eine Fallschirmsportschule. Für das zum Absetzen von Fallschirmspringern eingesetzte Flugzeug, eine Cessna U 209 Soloy, unterhält er bei der Beklagten eine Luftfahrthaftpflichtversicherung i.S.e. kombinierten Halter- und Passagier-Haftpflichtversicherung (Ansprüche von Dritten und von Passagieren = CSL - Combined Single Limit).

Bei einem im Juli 2009 mit dem Flugzeug durchgeführten Absetzflug verletzte sich ein damals 48-jähriger Passagier schwer, als er - aus Sicherheitsgründen einen Fallschirm tragend - aus der im Landeanflug befindlichen Cessna gerissen wurde. In das Flugzeug war der Passagier zuvor ohne Sprungabsichten eingestiegen. Beim Sinkflug der Maschine hatte sich sein Fallschirm automatisch geöffnet und ihn in etwa 300 Metern Höhe durch die noch geöffnete Bordwand des Flugzeuges nach draußen gezogen.

In dem anschließenden Schadensersatzprozess (OLG Hamm, Az.: 27 U 24/12) wurden die in Anspruch Genommenen dem Grunde nach zum Schadensersatz verurteilt. Später verständigte man sich auf eine Schadensersatzleistung von 260.000 €. Der Kläger war der Ansicht, dass ihm die Beklagte für den Unfall Versicherungsschutz zu gewähren habe. Schließlich habe sich der Unfallflug im Rahmen des versicherten Risikos bewegt.

Das LG wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers hob das OLG das erstinstanzliche Urteil auf und stellte fest, dass sich der Unfallflug im Rahmen des versicherten Risikos bewegt hatte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Die Einstandspflicht der Beklagten als Luftfahrtversicherer ergab sich aus der Luftfahrt-Haftpflichtversicherung sowie aus der im Versicherungsschein niedergelegten Risikobeschreibung.

Die Beklagte hatte Haftpflichtversicherungsschutz für die Schadensfälle zugesagt, die aus dem Flugzeugeinsatz zu den vertraglich bezeichneten Verwendungszwecken resultierten. Zu diesen gehörte auch ein Absetzflug. Bei einem solchen beschränkt sich der Versicherungsschutz gerade nicht auf die abzusetzenden Fallschirmspringer, sondern er erfasst auch die Beförderung eines Passagiers. Der Versicherungsvertrag war insoweit auszulegen, dass es gerade nicht als Risikoerhöhung anzusehen ist, wenn nicht hinreichend ausgebildete oder eingewiesene Passagiere in der Maschine mitgenommen werden. Infolgedessen hatte sich mit dem Unfall vom Juli 2009 ein durch den Vertrag versichertes Risiko verwirklicht.

Die Beklagte konnte sich nicht auf die in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Risikoausschlüsse berufen. Schließlich hatte sie nicht dargetan, dass sich die Cessna in einem den gesetzlichen Bestimmungen und behördlichen Auflagen nicht entsprechenden Zustand befunden habe. Als Absetzflug war der am Unfalltag durchgeführte Flug nicht genehmigungspflichtig gewesen, durch die Mitnahme des nicht absprungwilligen Geschädigten wurde der Flug auch kein genehmigungspflichtiger Passagiertransport.

Schließlich war auch der Einwand der Beklagten ungerechtfertigt, dass der Kläger den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe. Denn eine eigene Pflichtverletzung des Klägers war nicht vorgetragen worden. Nach dem Versicherungsvertragsgesetz konnte dem Kläger nicht zugerechnet werden, dass die am Unfalltag im Sprungbetrieb eingesetzten Personen vorgegebene Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten hätten. Im Verhältnis zur Beklagten waren diese Personen nicht als Repräsentanten des Klägers anzusehen.

Linkhinweis:

OLG Hamm PM v. 22.5.2013
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