09.03.2015

Kann ein Rechtsanwalt Urheber von AGB sein?

AGB können nicht durchweg als individuelle geistige Schöpfung eines einzelnen Juristen angesehen werden. Sie sind in ihrer Entstehung dadurch besonderer Art, weil sie sich auf vorveröffentlichte einschlägige Sammlungen in Formularbüchern oder vergleichbaren Publikationen zurückführen lassen oder aus konkreten veröffentlichten und damit jedenfalls der Fachwelt allgemein zugänglichen Aufsätzen und Rechtsprechungsentscheidungen entnommen sind.

AG Kassel 5.2.2015, 410 C 5684/13
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist vormaliger Rechtsanwalt. Er betrieb eine Rechtsanwaltssozietät mit seiner heutigen Verfahrensbevollmächtigten. Die Sozietät befindet sich in Insolvenz. Außergerichtlich bezahlte der Beklagte ohne Anerkennung einer Rechtspflicht an den Kläger 800 €. Die Zahlung verrechnete der Kläger auf seine vorgerichtliche angefallenen Rechtsanwaltskosten.

Der Kläger behauptete, die AGB entworfen zu haben, die der Beklagte für seinen Onlineshop verwendet. Er war der Ansicht, dazu berechtigt zu sein, urheberrechtliche Ansprüche in Bezug auf die AGB geltend machen zu dürfen. Der Beklagte bestritt wegen des Insolvenzverfahrens, dass der Kläger berechtigt sei, urheberrechtliche Ansprüche geltend zu machen. Darüber hinaus sei der Schaden der Höhe nach nicht hinreichend dargetan, da Lizenzgebühren in geltend gemachter Höhe für AGB nicht anfielen.

Das AG wies die Klage ab.

Die Gründe:
Der Kläger hatte bereits seine Urhebereigenschaft nicht schlüssig dargetan. Urheber ist derjenige, der im Wege eines Realaktes ein Werk schöpft. Gerade bei einem Text wird dies typischerweise nicht auf einer Handlung zu fixieren sein, sondern der Text wird typischerweise das Ergebnis eines längeren Überlegungs- und Formulierungsprozesses sein.

Bei urheberschutzfähigen Texten eines Rechtsanwaltes im Rahmen seiner Berufsausübung wird man genauso typischerweise jedoch eine Einschränkung dahingehend machen müssen, dass diese durch einen konkreten Anlass bedingt sind, mithin durch ein konkret erteiltes Mandat. Dadurch lässt sich die Entstehung des juristischen Textes eines Rechtsanwaltes näher eingrenzen nach Beginn der Arbeiten, Abschluss der Arbeiten und im Hinblick auf den Auftraggeber für diesen Text.

Im Hinblick auf die hier streitgegenständlichen AGB hat der Kläger jedoch nicht dargetan, wie er diese geschaffen hatte. Er hat lediglich erklärt, er habe seit 2006 für mehrere Mandanten immer wieder AGB entworfen und angepasst. AGB können aber nicht durchweg als individuelle geistige Schöpfung eines einzelnen Juristen angesehen werden. Sie sind u.a. in ihrer Entstehung dadurch besonderer Art, weil sie sich auf vorveröffentlichte einschlägige Sammlungen in Formularbüchern oder vergleichbaren Publikationen zurückführen lassen oder aus konkreten veröffentlichten und damit jedenfalls der Fachwelt allgemein zugänglichen Aufsätzen und Rechtsprechungsentscheidungen entnommen sind. Dies kann sogar so weit gehen, dass selbst die Kompilation bzw. Kombination von einzelnen AGB-Klauseln zu einem Gesamtwerk komplett einer solchen Veröffentlichung entnommen werden kann.

Um die spezifische eigene schöpferische Leistung erfassen zu können, bedarf es mithin der detaillierten Darlegung, in welchem Umfang derartige Vorlagen eingesetzt wurden und in welchem Umfang alternativ eigene Neuformulierungen Eingang gefunden haben bzw. Zusammenstellung vorformulierter Teile der Texte vorgenommen wurde. Dabei spielt naturgemäß auch eine Rolle, für welche Art von Geschäftsbetrieb sowohl hinsichtlich der Vertriebswege als auch der vertriebenen Produkte und/oder Dienstleistungen ein solches Klauselwerk entworfen bzw. zusammengestellt ist. Erst dann lässt sich beurteilen, ob ein urheberrechtsschutzfähiges Werk überhaupt entstanden ist. Hierzu hatte der Kläger allerdings nichts vorgetragen.

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