19.11.2012

Kein Schadensersatz wegen (inzwischen wertloser) Cobold-Anleihen auf Lehmann Brothers

Eine Bankkauffrau, die ein privates Wertpapierdepot bei einer Direktbank unterhält, kann von dieser keinen Schadensersatz für per Online-Brokering erworbene - inzwischen wertlose - sog. Cobold-Anleihen verlangen, da die Direktbank insoweit keine Anlageberatung schuldet. Tritt ein Kunde mit gezielten Aufträgen zum Erwerb bestimmter Wertpapiere an eine Bank heran, so darf diese im Allgemeinen davon ausgehen, dass eine besondere Beratung weder gewünscht noch erforderlich ist.

Schleswig-Holsteinisches OLG 5.11.2012, 5 U 10/12
Der Sachverhalt:
Die Klägerin, eine gelernte Bankkauffrau, eröffnete im Jahr 2003 ein Wertpapierdepot bei der beklagten Direktbank mit Sitz in Schleswig-Holstein. In dem Depoteröffnungsantrag heißt es, dass die Beklagte Wertpapieraufträge ihrer Kunden lediglich ausführt ("execution only") und keine Anlageberatung anbietet. Sofern sie dem Kunden Informationen zur Verfügung stelle, solle dies dem Kunden lediglich die selbstständige Anlageentscheidung erleichtern.

Im Jahr 2006 erteilte die Klägerin der Beklagten per Online-Brokering über das Internet den Auftrag zum Erwerb einer sog. Cobold 62-Anleihe herausgegeben von der DZ Bank AG im Nennwert von 11.000 € mit einer Verzinsung von 3,2 Prozent pro Jahr. Nach der Konzeption der Anleihe erhält der Anleger die Verzinsung und am Ende der Laufzeit den Nominalwert der Anleihe zurückerstattet, sofern bei keinem der zugrundeliegenden Unternehmen ein sog. "Kreditereignis" eintritt, z.B. die Insolvenz des Unternehmens. Die Anleihe war an die Wertigkeit von Unternehmensanleihen fünf weiterer Großbanken geknüpft, u.a. die Lehman Brothers. Wenn eine der Großbanken ihre Anleiheschulden nicht bezahlte, hatte die DZ Bank das Recht, die Cobold-Anleihe gegen die Anleihe des zahlungsunfähigen Unternehmens auszutauschen.

Nach der Insolvenz der Lehmann Brothers im Herbst 2008 erhielt die Klägerin von der DZ Bank AG anstelle der Rückzahlung des eingezahlten Betrags Anleihen der Lehmann Brothers Inc. in einem Wert von nur 831 €. Die Klägerin verlangte daraufhin Schadensersatz von der Beklagten u.a. mit der Begründung, es sei für sie nicht erkennbar gewesen, dass die Rückzahlung der Anleihe nicht nur von der Bonität der DZ Bank abhänge, sondern zusätzlich von der Bonität der fünf Großbanken.

Das OLG wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die Klägerin hat keinen Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten.

Zwischen der Klägerin und der beklagten Direktbank ist kein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Tritt ein Kunde mit gezielten Aufträgen zum Erwerb bestimmter Wertpapiere an eine Bank heran, so darf diese im Allgemeinen davon ausgehen, dass eine besondere Beratung weder gewünscht noch erforderlich ist.

Durch ihren online im Internet erteilten Kaufauftrag hat die Klägerin zum Ausdruck gebracht, dass sie keine Informationen über das Produkt mehr benötige. Bei Eröffnung des Wertpapierdepots ist die Klägerin ausdrücklich darüber informiert worden, dass es neben den klassischen Anleihen auch Varianten "synthetischer" Anleihen gäbe, die im Ergebnis zu einem Totalverlust des eingesetzten Kapitals führen könnten und dass man deshalb vorher z.B. den Verkaufsprospekt genau studieren sollte. Die Einholung solcher Informationen hat die Klägerin jedoch unterlassen.

Die Anlage passte i.Ü. auch in das Anleger- und Risikoprofil der Klägerin. Bei Depoteröffnung hatte sie sich als gelernte Bankkauffrau in die Kenntnisstufe "C" von insgesamt 6 Kenntnisstufen ("A" bis "F") eingeordnet. Zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung bestand nur ein theoretisches Ausfallrisiko, weil ausnahmslos international renommierte Bankhäuser als Referenzunternehmen aufgeführt waren.

Hintergrund:
Bei der Cobold-Anleihe (Corporate Bond Linked Debt) handelt es sich um die Kombination aus einer klassischen Unternehmensanleihe und einem Kreditausfallsicherungsinstrument (Credit Default Swap = CDS) für bestimmte Referenzunternehmen (hier die Deutsche Bank und weitere vier amerikanische Großbanken, u.a. Lehmann Brothers).

Schleswig-Holsteinisches OLG PM Nr. 19 vom 16.11.2012
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