28.08.2012

Kein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Verwendung vergaberechtswidriger Bedingungen für zukünftige Verfahren

Potenziellen Bietern stehen gegen öffentliche Auftraggeber keine aus bürgerlich-rechtlichen Vorschriften herzuleitende Ansprüche darauf zu, die Verwendung bestimmter als vergaberechtswidrig erachteter Vergabebedingungen in etwaigen zukünftigen Vergabeverfahren zu unterlassen. Dies ist nur möglich, wenn die Verletzungshandlung im konkreten Vertragsverhältnis noch andauert.

BGH 5.6.2012, X ZR 161/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte im Hinblick auf eine Jahresausschreibung der Beklagten zur Lieferung von StVO-Hinweisschildern und Zubehörteilen sowie Demontage, Montage und Änderung von Transparenten, Großschildern und Aufstellvorrichtungen zur Unterhaltung und Erneuerung auf den Betriebsstrecken einer Dienststelle der Autobahndirektion Südbayern ein Angebot abgegeben. Zu den Vergabeunterlagen gehörte auch die Klausel 32 "Fachpersonal", wonach die Bieter als Herstellerfirma gelten und der Güteschutzgemeinschaft Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen e.V. angehören müssten.

Zwar war das Angebot der Klägerin das wirtschaftlich günstigste, es wurde jedoch von der Beklagten nicht berücksichtigt, weil die Klägerin die Fachpersonalklausel nicht erfüllte. Diese begehrte daraufhin Schadensersatz und beantragte, die Beklagte zu verurteilen, es zukünftig zu unterlassen, bei öffentlichen Ausschreibungen von Beschilderungsarbeiten nach der VOB/A als zwingende Bieterqualifikation die Klausel 32 "Fachpersonal" zu verwenden.

Die Klägerin war der Ansicht, die Klausel verstoße gegen das aus § 8 Nr. 2 Satz 1 VOB/A 2006 herzuleitende Selbstausführungsgebot. Die Forderung, dass die Bieter jener Gütergemeinschaft angehören müssten, erweise sich als ein nicht sachgerechtes Ausschreibungskriterium, das die Bauunternehmen, die für die Erbringung der den Kernbereich der Ausschreibung bildenden Bauarbeiten qualifiziert seien, auf unbillige Weise von der Auftragsvergabe ausschließe.

Das LG gab der Klage statt; das OLG wies sie ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die Verneinung eines durch einen Vergaberechtsverstoß der Beklagten ausgelösten Schadensersatzanspruchs der Klägerin wegen fehlenden Vertrauens in die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens war mit der neueren, allerdings erst nach Verkündung des Berufungsurteils ergangenen BGH-Rechtsprechung nicht vereinbar.

Danach ist der auf Verstöße des öffentlichen Auftraggebers gegen Vergabevorschriften gestützte Schadensersatzanspruch des Bieters nicht daran geknüpft, dass der klagende Bieter auf die Einhaltung dieser Regelungen durch den Auftraggeber vertraut hat. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Auftraggeber durch Missachtung von Vergabevorschriften seine Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Bieter und potenziellen Bieter verletzt und einem durch diese Vorschriften geschützten Unternehmen hierdurch Schaden zugefügt hat (Urt. v. 9.6.2011, Az.: X ZR 143/10).

Das Berufungsgericht wird im weiteren Verfahren zu prüfen haben, ob es als eine Verletzung ihrer Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB anzusehen ist, wenn die Beklagte die Angebote von Bietern, die nach allgemeinen Grundsätzen für die Ausführung des als Bauleistung ausgeschriebenen Auftrags geeignet wären und nur die Voraussetzungen der Fachpersonalklausel nicht erfüllen, unter Berufung auf diese Bedingung aus der Wertung nimmt. Dabei wird es zu bedenken haben, dass der sparsame Einsatz der Haushaltsmittel, dessen Verwirklichung das Vergaberecht infolge seiner herkömmlich haushaltsrechtlichen Prägung verpflichtet ist, durch eine wettbewerbsbetonte Gestaltung der Vergabeverfahren gefördert werden soll.

Allerdings hatte das OLG zu Recht angenommen, dass der geltend gemachte vorbeugende Unterlassungsanspruch nicht aus § 280 Abs. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB hergeleitet werden kann. Denn nach BGH-Rechtsprechung kann aus § 280 Abs. 1 BGB aus einem durch Vertrag begründeten Schuldverhältnis zwar neben dem Schadensersatzanspruch grundsätzlich auch ein Unterlassungsanspruch abgeleitet werden. Das gilt aber nur, solange eine Verletzungshandlung im konkreten Vertragsverhältnis noch andauert. Hingegen begründet eine solche Pflichtverletzung keinen Unterlassungsanspruch im Hinblick auf die Verletzung künftiger, noch nicht geschlossener Verträge (Urt. v. 11.9.2008, Az.: I ZR 74/06). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen, wenn nicht Ansprüche aus einem vertraglichen Schuldverhältnis in Rede stehen, sondern es sich, wie hier, um ein durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen - als die eine vergaberechtliche Ausschreibung einzuordnen ist - begründetes Schuldverhältnis handelt.

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