13.12.2011

Keine Aufrechnung des Darlehensnehmers unter Berufung auf in unverjährter Zeit nicht ausgeübte - demnach erloschene - Sondertilgungsrechte

An der für eine Aufrechnung im Zeitpunkt des Zuganges der Aufrechnungserklärung erforderlichen Erfüllbarkeit der Hauptforderung fehlt es, wenn ein Darlehensnehmer unter Berufung auf ein in unverjährter Zeit nicht ausgeübtes und deswegen erloschenes Sondertilgungsrecht gegen den noch nicht fälligen Darlehensrückzahlungsanspruch des Darlehensgebers mit einer verjährten Gegenforderung aufrechnen will. Der Darlehensnehmer kann die Sondertilgungsrechte eben nicht kumulieren, um sie später in Höhe des Gesamtbetrages aller vermeintlich angesparten Tilgungsmöglichkeiten geltend zu machen.

BGH 8.11.2011, XI ZR 341/10
Der Sachverhalt:
Die Parteien schlossen am 24.1.1996 zwei Verbraucherdarlehensverträge über eine Gesamtvaluta i.H.v. 484.000 DM (247.465 €) einschließlich 5 Prozent Disagio. Der Zinssatz war mit 6,2 Prozent p.a. bis zum 30.1.2006 fest vereinbart. Ein effektiver Jahreszins war nicht angegeben. Die endfälligen Darlehen sollten spätestens am 30.4.2008 zurückgezahlt werden. Innerhalb der Zinsbindungsfrist waren der Klägerin, jeweils zum Ende eines Quartals, Sondertilgungen i.H.v. max. 100.000 DM jährlich gestattet. Nach Ablauf der Zinsbindung vereinbarten die Parteien am 28.2.2006 bis zum Laufzeitende einen festen Zinssatz von 4 Prozent p.a. Nunmehr wurde ein effektiver Jahreszins angegeben. Sondertilgungen hingegen wurden ausgeschlossen.

Vorprozessual kamen die Parteien überein, dass die Klägerin wegen der anfänglich fehlenden Pflichtangabe des effektiven Jahreszinses bis zur Vertragsänderung nur den gesetzlichen Zinssatz von 4 Prozent p.a. geschuldet hatte und ihr deswegen insoweit Bereicherungsansprüche wegen überzahlter Zinsen und daraus gezogener Nutzungen zustehen. Die Beklagte berücksichtigte diese Bereicherungsansprüche bei ihren Kontoberichtigungen jedoch erst ab Januar 2005 und erhob hinsichtlich der bis Ende 2004 entstandenen Ansprüche die Einrede der Verjährung. Mit den nicht berücksichtigten Ansprüchen erklärte die Klägerin am 5.3.2008 die Aufrechnung gegenüber den Darlehensrückzahlungsansprüchen der Beklagten.

Zur Begründung verwies sie auf die von ihr in den Jahren 1996 bis 2004 nicht genutzten Sondertilgungsmöglichkeiten. Die Darlehensverträge wurden inzwischen unter Abzug der zur Aufrechnung gestellten Bereicherungsansprüche, die die Klägerin mit insgesamt 97.468 € beziffert (überzahlte Zinsen 60.918 € und gezogene Nutzungen 36.551 €), in unstreitiger Höhe von 149.988 € auf zwei neue Kreditverträge umgeschuldet. Die Klägerin begehrt u.a. die Feststellung, dass Rückzahlungsansprüche der Beklagten aus den umgeschuldeten Darlehensverträgen wegen der von ihr erklärten Aufrechnung nicht mehr in einer über den Differenzbetrag von 149.988 € hinausgehenden Höhe bestehen.

Das LG gab der Klage statt; das OLG wies sie ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Klägerin kann die begehrte Feststellung, dass der Beklagten aus den umgeschuldeten Darlehensverträgen keine Rückzahlungsansprüche in einer den unstreitigen Betrag von 149.988 € übersteigenden Höhe zustehen, nicht verlangen.

Das OLG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin mangels der nach § 4 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 Buchst. e) VerbrKrG in der bis zum 30.9.2000 geltenden Fassung (aF) erforderlichen Angabe des effektiven Jahreszinses in den Darlehensverträgen vom 24.1.1996 gegen die Beklagte Bereicherungsansprüche aus § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1, § 818 Abs. 1 BGB auf Herausgabe der bis Ende 2004 überzahlten Zinsen und gezogenen Nutzungen in der unstreitigen Höhe von insgesamt 97.468 € zustehen, die jedoch gem. § 197 BGB aF i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 EGBGB bzw. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB seit dem Ende des Jahres 2007 in vollem Umfang verjährt sind.

Die von der Klägerin am 5.3.2008 erklärte Aufrechnung mit den vorgenannten Bereicherungsansprüchen hat auch unter Berücksichtigung von § 215 BGB (§ 390 S. 2 BGB aF) nicht nach § 389 BGB in entsprechender Höhe das Erlöschen der Rückzahlungsansprüche der Beklagten aus den Darlehensverträgen bewirkt. Zwar schließt die Verjährung einer Gegenforderung gem. § 215 BGB die Aufrechnung nicht aus, wenn sie in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem sie der Hauptforderung erstmals aufrechenbar gegenübergestanden hat. Hier fehlte es jedoch an der nach § 387 BGB erforderlichen Aufrechnungslage, die zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung bestehen muss. Das Sondertilgungsrecht der Klägerin war zu diesem Zeitpunkt bereits erloschen.

Sondertilgungsrechte begründen ein kündigungsunabhängiges Teilleistungsrecht des Darlehensnehmers zur Rückerstattung der Valuta ohne Verpflichtung zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung. Die Pflicht zur Zinszahlung für den getilgten Anteil der Valuta endet, soweit die Vertragsparteien - wie hier - nichts anderes vereinbart haben, nach der ungeschriebenen Regel des Darlehensrechts, wonach die Zinspflicht vom Bestand der Kapitalschuld abhängig ist. Lässt der Darlehensnehmer die für eine Sondertilgung vorgesehene Frist verstreichen, verfällt das Sondertilgungsrecht. Deswegen kann der Darlehensnehmer die - hier zeitlich gestaffelten - Sondertilgungsrechte nicht nach Belieben kumulieren, um sie später in Höhe des Gesamtbetrages aller vermeintlich angesparten Tilgungsmöglichkeiten geltend zu machen.

Vorliegend konnte die Klägerin nach den vertraglichen Vereinbarungen ihr Sondertilgungsrecht nur während der Festzinszeit, das heißt bis Ende Januar 2006, ausüben. Da sie von der jährlichen Tilgungsbefugnis bis zu diesem Zeitpunkt keinen Gebrauch gemacht hat, ist ihr Sondertilgungsrecht erloschen. Zum Zeitpunkt ihrer Aufrechnungserklärung vom 5.3.2008 war sie daher zur Erbringung von vorzeitigen Teilleistungen nicht mehr berechtigt. Damit ging die Aufrechnungserklärung der Klägerin zur maßgeblichen Zeit ihres Zuganges ins Leere.

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