27.09.2011

Lehman-Pleite: BGH weist Schadensersatzklagen von Anlegern ab

Der BGH hat in zwei Parallelverfahren erstmals über Schadensersatzklagen von Anlegern im Zusammenhang mit dem Erwerb von Zertifikaten der niederländischen Tochtergesellschaft der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers entschieden. Der BGH wies die Klagen ab; die Anleger seien über das Risiko, bei einer Lehman-Insolvenz die Anlagesummen vollständig zu verlieren, hinreichend belehrt worden.

BGH 27.9.2011, XI ZR 178/10 u.a.
Der Sachverhalt:
In der Sache XI ZR 178/10 investierte der Kläger im Dezember 2006 auf Empfehlung einer Mitarbeiterin der beklagten Sparkasse einen Betrag i.H.v. 10.000 € in eine "ProtectExpress-Anleihe". In der Parallelsache XI ZR 182/10 erwarb die dortige Klägerin im Oktober 2007 auf Empfehlung eines Mitarbeiters derselben Sparkasse für 10.000 € eine "Bull Express Garant Anleihe". In beiden Fällen handelt es sich um Inhaberschuldverschreibungen der niederländischen Lehman Brothers Treasury Co. B.V., deren Rückzahlung von der US-amerikanischen Lehman Brothers Holdings Inc. garantiert wurde.

Zeitpunkt und Höhe der Rückzahlung hingen bei der "ProtectExpress-Anleihe" von der Wertentwicklung eines aus zehn Titeln des DAX 30-Index bestehenden Aktienkorbs ("Lehman Brothers Deutschland Dividend Basket") und bei der "Bull Express Garant Anleihe" von der Wertentwicklung des Aktienindex EuroStoxx 50 ab. Bei beiden Anleihen sollte der Anleger im für ihn ungünstigsten Fall den angelegten Betrag am Laufzeitende ohne Zinsen zurück erhalten.

Mit der Insolvenz der Emittentin (Lehman Brothers Treasury Co. B.V.) und der Garantin (Lehman Brothers Holdings Inc.) im September 2008 wurden die erworbenen Zertifikate weitgehend wertlos. Mit ihren Klagen verlangen die Anleger, die der beklagten Sparkasse mehrere Aufklärungspflichtverletzungen vorwerfen, im Wesentlichen die Rückzahlung des Anlagebetrages zzgl. des Ausgabeaufschlages nebst Zinsen.

Das LG gab den Klagen statt; das OLG wies sie ab. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Kläger hatten vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Nach den vom OLG rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat die Beklagte in beiden Fällen ihre Pflicht zur anleger- und objektgerechten Beratung nicht verletzt.

Für die Beklagte war zum Zeitpunkt des jeweiligen Beratungsgesprächs ein konkretes Insolvenzrisiko der Emittentin bzw. der Garantiegeberin nicht erkennbar; auch die Kläger haben nichts anderes behauptet. Die Beklagte ist auch ihrer Pflicht zur Aufklärung über das vom Anleger zu tragende sog. allgemeine Emittentenrisiko, wonach die Rückzahlung des angelegten Kapitals von der Zahlungsfähigkeit des Emittenten abhängt, nachgekommen. Die Anleger wurden über das Risiko, bei einer Lehman-Insolvenz die Anlagesummen vollständig zu verlieren, hinreichend belehrt. In einem solchen Fall bedarf es keiner zusätzlichen Aufklärung darüber, dass die streitgegenständlichen Zertifikate keinem Einlagensicherungssystem unterfallen, weil einer dahingehenden Information keine eigenständige Bedeutung zukommt.

Zu Recht hat das OLG ferner eine Aufklärungspflicht der Beklagten über die Gewinnmarge der von ihr verkauften Zertifikate verneint. Eine Bank, die eigene Anlageprodukte empfiehlt, ist nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich nicht verpflichtet, darüber aufzuklären, dass sie mit diesen Produkten Gewinne erzielt; denn in einem solchen Fall ist es für den Kunden offensichtlich, dass die Bank eigene (Gewinn-)Interessen verfolgt, so dass darauf nicht gesondert hingewiesen werden muss. Nichts anderes gilt, wenn - wie dies hier jeweils der Fall war - fremde Anlageprodukte im Wege des Eigengeschäfts (Festpreisgeschäft) zu einem über dem Einkaufspreis der Bank liegenden Preis veräußert werden. Dem steht auch weder die Rechtsprechung des BGH zur Offenlegung versteckter Innenprovisionen noch diejenige zur Aufklärungsbedürftigkeit von Rückvergütungen entgegen, weil die Gewinnmarge beim Eigengeschäft keiner dieser beiden Fallgruppen zugeordnet werden kann.

Für die von den Anlegern geltend gemachten Schadensersatzansprüche ist schließlich ohne Belang, ob ihnen bekannt war, dass der Erwerb der Zertifikate im Wege des Eigengeschäfts der Beklagten erfolgt ist. Zu einer diesbezüglichen Informationspflicht war die Beklagte vertraglich nicht verpflichtet. Die Annahme einer Pflicht zur Auskunft über das Eigengeschäft läuft nämlich, wie schon das OLG zutreffend angenommen hat, auf die als solche für den Anleger bedeutungslose Information hinaus, dass die Bank ihn über Existenz und Höhe der Gewinnspanne nicht aufzuklären hat.

Linkhinweis:

  • Die Volltexte der Entscheidung werden demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 145 vom 27.9.2011
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