19.10.2012

Liefervertrag mit einzelnem Kunden kann für ernsthafte Benutzung einer Marke ausreichen

Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls kann auch ein einziger Liefervertrag mit einem einzelnen Kunden für eine ernsthafte Benutzung der Marke ausreichen, wenn der Vertrag einen nach den Verhältnissen des Markeninhabers erheblichen Umfang hat. Wird mit der Marke gekennzeichnete und für einen deutschen Empfänger bestimmte ausländische Ware auf dessen Weisung in einem deutschen Lager ausgeliefert, steht es einer rechtserhaltenden Benutzung der Marke in Deutschland nicht entgegen, dass der Empfänger die Ware nicht in Deutschland in den Handel bringt.

BGH 25.4.2012, I ZR 156/10
Der Sachverhalt:
Die Beklagte, ein ungarisches Elektronikunternehmen, ist Inhaberin der IR-Marke 211 014 "ORION", die seit dem 3.7.1958 insbes. für Geräte und Ersatzteile für das Fernsehen registriert ist. Die Klägerin, ein Elektronikunternehmen mit Sitz in Japan, dessen Firma ebenfalls den Bestandteil "Orion" enthält, nimmt die Beklagte auf Einwilligung in die Schutzentziehung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch. Sie macht geltend, die Beklagte habe ihre Marke im Inland nicht rechtserhaltend benutzt.

Im Jahr 2007 lieferte die Beklagte aufgrund eines unter dem Briefkopf der P erteilten "Globalauftrags" 2.316 mit der Marke "ORION" gekennzeichnete Fernsehgeräte nach Albstadt-Tailfingen und Hamburg in Lager der A. Von diesen Ablieferungsorten aus wurden die Fernsehgeräte an die P-Auslandsgesellschaften in Portugal, Spanien und Griechenland weitergeleitet. Die Klägerin trägt vor, trotz laufender sorgfältiger Marktbeobachtungen sei weder ihr noch ihrem deutschen Vertriebspartner jemals ein Erzeugnis der Beklagten unter der Kennzeichnung "ORION" in Deutschland bekannt geworden; auch der Internetauftritt der Beklagten sei ausschließlich in Ungarisch und Englisch gehalten.

Das LG gab dem Antrag der Klägerin statt und verurteilte die Beklagte dazu, durch Erklärung gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in die Entziehung des Schutzes der IR-Marke 211 014 "ORION" einzuwilligen. Das OLG wies die Klage hinsichtlich Geräten und Ersatzteilen für das Fernsehen ab und wies die Berufung der Beklagten im Übrigen zurück. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Mit der Lieferung von 2.316 Fernsehgeräten aufgrund des im Jahr 2007 erteilten Globalauftrags hat die Beklagte die angegriffene Marke in Deutschland rechtserhaltend benutzt.

Die Klage auf Schutzentziehung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ist gem. § 115 Abs. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 MarkenG begründet, wenn die Marke nach dem Tag der Eintragung innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren von ihrem Inhaber nicht gem. § 26 MarkenG ernsthaft im Inland benutzt worden ist. Die rechtserhaltende Benutzung setzt voraus, dass die Marke für die Waren oder Dienstleistungen verwendet wird, für die sie geschützt ist, um für diese Produkte einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern. Die Benutzung muss also erfolgen, um im Inland Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder zu gewinnen.

Nach diesen Grundsätzen hat das OLG die Lieferung von Fernsehgeräten an die Lager der A zu Recht als rechtserhaltende Benutzung der angegriffenen Marke in Deutschland angesehen. Ohne Rechtsfehler hat es ferner angenommen, bei der hier in Rede stehenden Ware Fernsehgeräte mit einem Herstellerabgabepreis von rd. 80 € könne eine Lieferung von 2.316 Geräten an einen einzelnen Kunden für eine rechtserhaltende Benutzung ausreichen. Denn auch die Belieferung eines einzigen Kunden kann für eine rechtserhaltende Benutzung ausreichen, wenn sie einen Umfang erreicht, der eine ernsthafte Benutzungsabsicht für einen bestimmten räumlichen Markt erkennen lässt, wenn sie also mithin nach den Verhältnissen des Markeninhabers einen erheblichen Umfang hat.

Zutreffend hat das OLG auch angenommen, einer rechtserhaltenden Benutzung der Marke in Deutschland stehe nicht entgegen, dass P die Ware nicht in Deutschland in den Handel gebracht, sondern sogleich in andere Mitgliedstaaten der Union weitergeleitet habe, damit sie ausschließlich dort an Endverbraucher verkauft werde, und zwar unabhängig davon, ob P die Fernsehgeräte von vornherein für ihre Auslandsgesellschaften und auf deren Rechnung einkaufte und ob die Beklagte dies ggf. erkennen konnte. Die Beklagte hat den Lieferauftrag von einem deutschen Unternehmen erhalten und die Ware auftragsgemäß an zwei von diesem Unternehmen genutzte Lager in Deutschland geliefert. Mit der Anlieferung in den deutschen Lagern befand sich die Ware in Deutschland auf der Großhandelsstufe im freien Verkehr. Die subjektiven Absichten der Kunden des Markeninhabers sind für die Frage der rechtserhaltenden Benutzung unerheblich.

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