23.01.2023

Muss ein Rechtsanwalt einen Bericht über gerichtlichen Erfolg auf seiner Homepage löschen, wenn er in der Folgeinstanz verliert?

Berichtet ein Rechtsanwalt über einen erstrittenen gerichtlichen Erfolg auf seiner Homepage und wird diese Entscheidung später rechtskräftig aufgehoben, muss er diesen Bericht nicht nachträglich löschen. Auf Verlangen des Betroffenen ist er jedoch verpflichtet, den Beitrag zu aktualisieren (Nachtragsanspruch).

OLG Frankfurt a.M. v. 15.12.2022 - 16 U 255/21
Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt eine deutschlandweit tätige Wirtschaftsauskunftei in Wiesbaden. Der Beklagte ist Rechtsanwalt. Er erstritt im November 2020 eine einstweilige Verfügung gegen die Klägerin und berichtete im Anschluss darüber in einem Anwalts-Blog auf der Kanzlei-Webseite unter der Überschrift "Einstweilige Verfügung gegen (die Klägerin) erlassen; Zwangsmittel beantragt". Die einstweilige Verfügung wurde nachfolgend auf Widerspruch der Klägerin hin rechtskräftig aufgehoben.

Die Klägerin wendet sich gegen Äußerungen in diesem unverändert nach Aufhebung der einstweiligen Verfügung verfügbarem Bericht. Das LG gab dem Unterlassungsbegehren der Klägerin statt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hatte vor dem OLG Erfolg: Das OLG wies den Unterlassungsanspruch der Betroffenen gegen den Rechtsanwalt zurück. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Klägerin die Zulassung der Revision beim BGH begehren.

Die Gründe:
Die Klägerin hat keinen Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten. Wahre Tatsachenbehauptungen - wie hier der Erlass der einstweiligen Verfügung - sind grundsätzlich hinzunehmen. Dies gilt auch, wenn sie für den Betroffenen nachteilig sind. Der Leser erkennt hier, dass der Beitrag nicht einen nach dessen Veröffentlichung aktualisierten Stand wiedergibt.

Durch die zwischenzeitlich erfolgte rechtskräftige Aufhebung der einstweiligen Verfügung wird ebenfalls kein Unterlassungsanspruch begründet. Zwar kann das fortdauernde Bereithalten ursprünglich rechtmäßig veröffentlichter Berichte im Einzelfall unzulässig sein. Wenn sich die beim Ursprungsbericht bekannte und zugrunde gelegte Sachlage nachträglich ändert und deshalb die Ursprungsmeldung als unwahr oder jedenfalls in einem anderen Licht erscheinen lässt, können jedoch Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Kommt es zu einer nachträglichen Änderung, ist deshalb eine erneute Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen.

Hier rechtfertigen es die Interessen der Klägerin indes nicht, dem Beklagten künftig die Berichterstattung über die aufgehobene Verfügung zu untersagen. Da der Beitrag ein kommerziell orientierter Blog ist, könnte sich der Beklagte zwar nicht - wie die Presse - darauf berufen, nicht verpflichtet zu sein, die Berichterstattung über ein einmal aufgegriffenes Thema bei neuen Entwicklungen fortzusetzen. Der geringere Verbreitungsgrad des Blogbeitrags führt allerdings auch zu einer geringeren Beeinträchtigung der Klägerin.

Kein Löschungs- aber Nachtragsanspruch

Dem Beklagten ist zudem grundsätzlich ein anerkennenswertes Interesse zuzusprechen, gegenwärtige und potentielle Kunden darüber zu informieren, dass ein Gericht zunächst zu Gunsten seines Mandanten entschieden hat. Eine Löschung der angegriffenen Äußerungen wäre mithin ein zu starker Eingriff in die Berufs- und Meinungsfreiheit des Beklagten. Ausreichend und verhältnismäßig wäre hier ein Nachtrag über den Fortgang des Verfahrens. Darauf hätte die Klägerin mit einer entsprechenden Rüge, dass "nur die halbe Wahrheit" berichtet werde, auch einen Anspruch gehabt. Sie hätte aber einen solchen Nachtrag auch verlangen müssen. Daran fehlt es hier.

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Aufsatz:
Mit Mandanteninformationen überzeugen
AK 2022, 102

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OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 5 vom 19.1.2023
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